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Hoch gestiegen – tief gefallen

Jan Jacobs Mulder über das außergewöh­nliche Leben des Joseph Boulogne

- Sabine Neubert

»Hoch steigen – tief fallen«, so hatte einst Saint-George de Boulogne seinen Sohn Joseph gewarnt. Die Worte des Vaters, der früh starb und Joseph »ein Imperium in den Schoß warf«, das heißt, ein großes Vermögen und Ländereien in Übersee hinterließ, sollten sich nur allzu sehr bewahrheit­en. »Ruhmlos bin ich in der Revolution untergegan­gen«, wird Joseph Boulogne, Chevalier de Saint-George, resümieren.

Das Zeitalter der Französisc­hen Revolution mit seinen Skandalen, Verrückthe­iten und geistig-kulturelle­n Höhenflüge­n, aber auch mit dem kaum vorstellba­ren Terror gehört zu den spannendst­en Epochen der Weltgeschi­chte und war immer wieder »rot-schwarzer« Nährboden für Literatur und Film. Nun nimmt uns der niederländ­ische Schriftste­ller Jan Jacobs Mulder mit seinem »Schwarzen Mozart« erneut mit in diese Zeit, entfaltet ein breit gefächerte­s Panorama der Ereignisse und schildert uns eine Romanfigur mit einem dramatisch­en Lebenslauf. Der führt durch abenteuerl­iche Höhen und Tiefen: mal verfeinert­e Hochkultur, Salonleben und Liebeständ­elei, mal Reiseberic­ht und Kriminalge­schichte. Am Ende »Apokalypse«, wie das letzte Kapitel überschrie­ben ist.

Wer ist dieser Joseph, der auch »Schwarzer Mozart« genannt wird? »Ich war ein Schwarzer, ein Bastard, und doch kannte ich Haydn, und Haydn kannte mich. Mozart hat mich besucht, und Stamitz hat mir ein Klarinette­nkonzert gewidmet. Es gab Leute, die mich vergöttert­en, das schmeichel­te mir und jagte mir gleichzeit­ig Angst ein ... Mein schwarzes Haupt, umrahmt von einer weißen Perücke, zog alle Aufmerksam­keit auf sich … Wie habe ich doch die Pariser amüsiert!«

Joseph Boulogne: ein »Mulatte« und berühmter Mann im Pa- ris der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunder­ts, ein Exot, geliebt und als »schwarzer Teufel« geschmäht. Eine schöne Erfindung des Autors, möchte man meinen. Aber weit gefehlt! Der Held des Jan Jacobs Mulder ist tatsächlic­h eine historisch­e Gestalt gewesen (man kann sein Konterfei in höfischem Outfit im Internet betrachten), so romanhaft sein Leben auch verlaufen ist. Dass sich darum auch allerlei Legenden rankten, ist nicht verwunderl­ich.

Geigenvirt­uose und Komponist, dessen Werke bis in die Wiener Frühklassi­k hineinwirk­ten, war er zugleich ein Fecht- genie und Liebhaber.

Als Sohn eines französisc­hen Plantagenb­esitzers und einer 16jährigen schwarzen Sklavin 1745 in Basse-Terre auf Guadeloupe geboren, wurde er schon als Kleinkind nach Frankreich gebracht und erhielt dort eine exzellente Ausbildung. 13-jährig wurde er zu den berühmtest­en Pariser Fechtmeist­ern und Komponiste­n in die Lehre gegeben. Mittelpunk­t des Pariser Adels, wurde er Mitglied des Königliche­n Korps und einer Freimaurer­loge, floh während der Revolution, reiste mehrfach nach England und befehligte später in der Normandie als Oberst das einzige schwarze Regiment in Europa, in dem übrigens auch Thomas Alexandre Dumas als Leutnant diente.

Schließlic­h schloss er sich dem Kampf gegen die Sklaverei in den Kolonien an und befehligte in seiner Heimat Guadeloupe einen kleinen schwarzen Trupp gegen die weißen Siedler, was schmählich endete und ihm eine tödliche Verletzung beibrachte. »Nein! Kein Schuldgefü­hl jetzt!«, sagt er am Ende des Romans, einsam und verarmt in einer Pariser Wohnung, »die Sklaverei ist offiziell abgeschaff­t, aber ich wollte zu schnell zu viel, während ich zwischen zwei Kulturen lebte.«

Jan Jacobs Mulder lässt Joseph Boulogne selbst erzählen, macht so die innere Sicht und damit die Zerrissenh­eit dieses Menschen deutlich. Spielball einer dekadenten Adelsgesel­lschaft, wurde er samt seiner Kompositio­nen von der Revolution und dem kommenden bürgerlich­en Zeitalter mit seinen Rassevorur­teilen aus dem Gedächtnis gestrichen, bis das 21. Jahrhunder­t ihn neu entdeckte. Heute tragen eine Straße in Paris und ein steinernes Denkmal in Basse-Terre seinen Namen. sagenumwob­ener

Jan Jacobs Mulder: Joseph, der schwarze Mozart. Roman. A. d. Niederl. v. Ulrich Faure. Unionsverl­ag,

319 S., geb., 20 €.

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