Was ist Heimat?
Dina Nayeri kam als Kind aus dem Iran in die USA
Man wünschte, es gäbe mehr Bücher wie dieses. Und man wünschte, dass Menschen voller Hass und Hochmut gegenüber Flüchtenden doch einmal so ein Buch lesen würden … Utopisch, natürlich. Aber Wünsche sind ja unzerstörbar, auch wenn sie unerfüllbar sind.
Das weiß auch Nilou, die Protagonistin dieses Romans. Als Kind ist sie ebenso wie die Au- torin aus dem Iran in die USA gekommen. Doch in Gedanken wünscht sie sich das unbeschwerte Leben in Isfahan zurück, wo »Baba« immer Geschichten und eine Handvoll getrocknete Sauerkirschen für die Kleine bereithielt, wenn er aus seiner Zahnarztpraxis nach Hause kam. Ebenso lieb sind ihr die Erinnerungen an die Ausflüge ins Dorf der Großmutter, die eine Spezialmischung aus regionalen Gewürzen und Kräutern zaubert.
Doch es gibt weder für Nilou noch für sonst wen einen Weg zurück ins heile Familienleben. Das Versprechen, Frau und Kindern zu folgen, hielt der Vater nicht ein. Stattdessen ging der opiumsüchtige Lyrikfreund noch zwei weitere unglückliche Ehen ein, weshalb er seine ihm fremd gewordenen Kinder seither nur wenige kurze Male im Ausland getroffen hat. Zwar haben diese gute Jobs und einen sicheren Aufenthaltsstatus im Westen, doch tief im Innern ist vor allem Nilou zerrissen und heimatlos. Diese Erfahrung bleibt auch dem Vater nicht erspart, denn als ihn das Regime unter Hausarrest stellt, muss auch er zusehen, dass er einen Weg ins Exil findet.
Auch wenn der Roman vor dem Hintergrund des zunehmenden Rassismus und Populismus in den Niederlanden spielt und die Situation der iranischen Flüchtlinge dort schildert, zielt er nicht in erster Linie darauf ab, die Missstände der europäischen Asylpolitik zu dokumentieren. Vielmehr widmet sich die poetisch erzählte Familiengeschichte den vielen unterschiedlichen Aspekten von Flucht und Exil, von Heimat und Fremdsein, wie sie nur ein sensibler Umgang mit eigenen Erfahrungen und Emotionen offenlegen kann.