Als die Frauen von Hadramaut tanzten
Ithan Arsel hat eine Streitschrift wider die Versklavung der Frau im Islam geschrieben
Am Anfang steht der Koran, Sure 2: »Eure Frauen sind euch ein Saatfeld. Geht zu eurem Saatfeld, wo immer ihr wollt!« Und im Vorwort erinnert sich die Übersetzerin Arzu Toker: »Als ich 1974 nach Deutschland kam, liefen verkleidete Frauen durch die Fußgängerzone der Stadt Essen und schrien: ›Hätte Maria abgetrieben, wäre uns Jesus erspart geblieben.‹ Ich war erschrocken und befüchtete das Schlimmste, Doch nichts passierte. Einige Passanten klatschten, andere zeigten den Frauen den Vogel. Nonnen riefen vom Straßenrand: ›Abtreibung ist Mord!‹«
Es sei für sie ein Muss gewesen, das Buch von Ilhan Arsel ins Deutsche zu übertragen, »ein Werk, das für Menschrenrechte, für unabhängiges Denken und für die Rechte der Frauen eintritt«, schreibt Arzu Tokur: »Ebenso wie der Autor bin ich der Überzeugung, dass es nicht die Pflicht der Menschen sein kann, Toleranz gegenüber den menschenverachtenden Geboten der Religionen zu üben und diese gesellschaftsfähig zu machen. Ganz im Gegenteil. Es ist unsere Pflicht, die unmenschli- chen Befehle von Personen, die als Propheten gelten, zu kritisieren und diese öffentlich zur Debatte zu stellen.«
Mit »Die Scharia und die Frau« (so der Originaltitel) wurde erstmals in der Türkei die Stellung der Frau im Koran, in den Überlieferungen und Werken islamischer Gelehrter kritisch beleuchtet und aufgezeigt, dass der Islam eine Kultur ist, die die Frau ihrer Freiheit und ihres politischen Einflusses beraubt, deren persönliche Entfaltung und Entwicklung verhindert, sie noch immer an Leib und Leben gefährdet. Für die Übersetzerin und den Autor steht das staatlich finanzierte Amt für Religiöse Angelegenheiten der Türkei im Widerspruch zu demokratischen Grundwerten, zum türkischen und deutschen Grundgesetz.
Selbstkritisch notiert der Autor: »Durch unsere ekelerregende Selbstsucht haben wir Män- ner, ob gebildet oder ungebildet, die Frauen erniedrigenden Verse des Korans und viele Befehle des ›Propheten‹ ernst genommen und an diese als ›Gebote Gottes‹ geglaubt. Viele Jahrhunderten stützten wir uns auf diese Gebote und nannten uns efendi (Herr) und seyyid (Nachkomme des Propheten), sahen uns als Erlauchte, als Herrscher über die Frauen und machten sie zu Leibeigenen und Konkubinen. Deutlich gesagt: Wir haben das System, das die Frauen zu einer niederen Klasse machte, heilig genannt und mit unvergleichlicher ›Raffinesse‹ dafür gesorgt, dass die Frauen dieses System akzeptieren und auch sie die Macht der Männer erhalten.«
Arsel zerfetzt die noch heute sogar von türkischen Intellektuellen vertretene Auffassung, nach der sich der Islam respektvoll gegenüber den Frauen verhalte und im Islam festgelegte Frauenrechte vollkommen seien. Nein, Frauen werden im Islam vom Mann versklavt und ihrer Freiheit beraubt.
Wie kam dieser männliche Autor zu seinen Einsichten? Während seiner Lehrtätigkeit an der juristischen Fakultät in Ankara. Er bewunderte die »beeindruckende intellektuelle und moralische Festigkeit« seiner Studentinnen und hofft, dass sie die Möglichkeit erhalten, ihre selbstgesteckten Ziele zu erreichen. Wegen seiner gewandelten Einstellung zur Frau wurde Arsel vom eigenen Vater verstoßen. Das ficht ihn nicht an, lässt ihn nicht zurückweichen von einmal gewonnenen Erkenntnissen: Mohammed entmachtete die Frauen politisch; die Scharia ist die Ursache für die Rückständigkeit der türkischen Gesellschaft; die Eheschließung dient der Versklavung, die Verschleierung soll die Frauen unkenntlich machen.
Im Osten von Jemen gibt es einen Ort namens Hadramaut. Laut alter Überlieferung hatten die Frauen ungeduldig der Nachricht von Mohammeds Todes geharrt. Als sie diese erhielten, färbten sie ihre Nägel mit Henna, musizierten, tanzten, feierten. Zu ihnen gesellten sich Frauen aus den umliegenden Dörfern. Sie alle hofften auf ein neues frauenfreundliches Zeitalter.
Ilhan Arsel: Frauen sind eure Äcker. Frauen im islamischen Recht. Übers. v. Arzu Toker. Alibri, 404 S., br. 24 €.