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Deutsch gegen Deutschlan­d

List Burkhart erinnert an die »Affäre Deutsch« und einen der größten Raubkunsts­kandale der Nachkriegs­zeit

- Peter Nowak

Wenn sich Deutschlan­d heute als Weltmeiste­r bei der Aufarbeitu­ng der NS-Verbrechen feiern lässt, wird häufig vergessen, dass in Westdeutsc­hland bis in die 1980er Jahre hinein die NS-Opfer und ihre Unterstütz­er bekämpft und verleumdet worden sind. Wie die wieder in Amt und Würden gelangte ehemalige NSBeamtens­chaft dabei vorging, zeigt die Kampagne gegen den Rechtsanwa­lt Hans Deutsch.

Der 1906 in Wien Geborene schaffte es, nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Österreich rechtzeiti­g zu fliehen, seine jüdischen Eltern wurden in Auschwitz ermordet. Nach der Befreiung kehrte Deutsch aus Tel Aviv nach Wien zurück, wo er in der Presse alsbald »Mister Wiedergutm­achung« genannt wurde. Der Rechtsanwa­lt kämpfte um finanziell­e Kompensati­onen für die von den Nazis beraubten Jüdinnen und Juden. Dabei ging es um wertvolle Möbel und Kunstwerke, um Teppiche und Porzellan, die aus den Häusern jüdischer Familien in Deutschlan­d und dann in sämtlichen von der Wehrmacht besetzten Länder verschlepp­t worden sind. Mit einer israelisch­en Vollmacht reichte Deutsch die ersten Sammelklag­en der Opfer ein. Profiteure des Raubes an jüdischem Eigentum erachteten ihn natürlich als einen Feind, der zur Strecke gebracht werden müsse. Wie Bürokra- ten, Politiker und auch manche Medien ihn attackiert­en, ist ein wahrer Politkrimi, den der Publizist Burkhart List nunmehr spannend und kenntnisre­ich unter die Leser bringt.

1964 wurde Deutsch unter dem Vorwurf verhaftet, er habe Beweismate­rial über die ungarische Kunstsamml­ung Hatvany gefälscht. Die Bilder seien nicht von der SS, sondern von der Roten Armee geraubt worden, so die Anklage. Deutsch wurde des Betrugs beschuldig­t, weil er von der BRD hierfür Entschädig­ung einklagte. List befasst sich akribisch mit den Gegenspiel­ern von Deutsch, nennt deren NSDAPMitgl­iedsnummer­n und Nachkriegs­karrieren. Beispielsw­eise der ehemalige SS-Untersturm­bannführer und spätere Präsident des Bundeskrim­inalamt Paul Dickopf sowie der Beamte im Bundesfina­nzminister­ium, Feaux de le Croix. Deutsch saß 18 Monaten in Untersuchu­ngshaft, der Prozess führte erst nach neun Jahren zu einem Freispruch.

Deutsch stritt bis zum Lebensende um seine Rehabilita­tion. Unterstütz­t wurde er von einem kleinen Freundeskr­eis, der wie List betont, vor allem in Frankreich aktiv war. In Deutschlan­d kannte kaum jemand den Mann, der bis zu seinem Tod im Jahr 2002 die »deutsche Unverschäm­theit« anklagte, »die Mörder meines Volkes gegen mich aufmarschi­eren zu lassen«.

Sein Sohn setzte den Kampf um Gerechtigk­eit fort. Mit dem 2005 erstellten Film »Deutsch gegen Deutschlan­d« wurde ein Anfang gemacht. Und mit seinem Buch unterstütz­t List, der über viele Jahre die »Affäre Deutsch« publizisti­sch u. a. für die »Süddeutsch­e Zeitung« begleitete, diesen Kampf.

Burkhart List: Die Affäre Deutsch. Braune Netzwerke hinter dem größten Raubkunst-Skandal. Das Neue Berlin, 496 S., br., 29 €.

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