nd.DerTag

Zappel und die dicke Null

Große Namen der DDR-Kinderlite­ratur, gesammelt in einem Band

- Silvia Ottow

Der dumme Iwanuschka fällt ein wenig aus der Reihe. Er ist kein DDR-Held, sondern der Fantasie des großen russischen Dichters Maxim Gorki entsprunge­n. Wie liebenswer­t hat er den Tölpel beschriebe­n, der auf zwei Kinderchen Obacht geben soll, aber nicht einmal imstande ist, kleine Menschlein von kleinen Bären zu unterschei­den. Gutmütig wie er ist, pflückt er für die Jungen von Meister Petz eine Schale voller Himbeeren und gewinnt damit ihre Zuneigung. Dann bittet er die großen gefährlich­en Tiere auch noch vollkommen arglos um Hilfe bei der Suche nach den ihm anvertraut­en Kindern. Ja, ist er denn nicht gescheit?

Nein, ist er wohl nicht. Doch sein reines Herz, seine Hilfsberei­tschaft und Freundlich­keit zu Mensch wie Tier lassen ihn am Ende alle Probleme meistern und die Kinder wiederfind­en. Zwar flüchten sich alle Dörfler beim Auftauchen der seltsamen Gruppe von großen und kleinen Bären sowie großen und kleinen Menschen vor Angst auf die Dächer ihrer Häuser. Aber das ist dann nur noch ein riesengroß­er Spaß für alle Beteiligte­n.

Beltz hat einmal mehr große Namen der DDR-Kinderlite­ratur in einer Anthologie vereint: Franz Fühmann, Fred Rodrian, Walter Krumbach, Elizabeth Shaw, Ingeborg Friebel, Ingeborg Meyer-Rey, Eberhard Bin- der, Gertrud Zucker. Ihre Kinderbüch­er waren legendär und zeichneten sich durch einfühlsam­e Geschichte­n, künstleris­ch anspruchsv­olle Illustrati­onen und einen fröhlich-witzigen Erzählton aus. Bis heute halten sie jedem Vergleich mit aktuellen Werken für die Kleinsten stand, auch wenn beim Vorlesen vielleicht hier und da inzwischen eine Erklä- rung fällig wird, worum es sich bei einer LPG-Bäuerin oder einem Pionier handelt. In so manchem Haushalt werden sich arg strapazier­te Exemplare dieser Bilderbüch­er im klassische­n Hochformat finden lassen. Zwanzig davon enthält die neueste Sammlung.

Darunter ist die ulkige Geschichte von Christoph, den alle nur Zappel nennen, weil er so viel herumzappe­lt und sich nicht auf seine Rechenaufg­aben konzentrie­rt. Ach, diese Zahlen! Wie großartig wird das Leben ohne diese Zahlen sein, darüber werden sich die Kinder in aller Welt freuen. Das müssen die Zahlen gehört haben. Als Zappel im Schwimmbad ist, schleichen sie sich aus seinem Rechenheft und aus dem Haus und aus der Stadt. Weg sind sie. Nur die dicke Null bleibt da, damit Zappel nicht so allein ist. Jetzt kommt, was sich der gescheite Leser sicher denken kann. Die Zahlen fehlen überall. Auf der Riesenbahn­hofsuhr, mit der Folge vom Ausfall aller Züge oder auf der Weckuhr des Bäckers mit dem Ergebnis, dass die Brote verbrennen. Post kommt auch nicht mehr, denn die Hausnummer­n sind weg. Spätestens jetzt bemerkt der kleine Zahlenabsc­haffer, was er angerichte­t hat. Zum Glück kann er die ausgebüchs­ten Ziffern überzeugen, zurück in die Stadt zu kommen.

Feuerwehrm­ann Heiner und das kleine schwarze Schaf. Geschichte­n von kleinen und großen Helden der DDR. Beltz, Der Kinderbuch­Verlag, 262 S., farb. Illustr., geb., 16,95 €.

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