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Ein Anfang, aber keine Lösung

Berliner sehen mögliche Dieselfahr­verbote zwiespälti­g / Viele denken an die Konsequenz­en für ihren Alltag

- Von Julian Seeberger

Dieselfahr­verbote würden Tausende Berliner betreffen. Viele Befragte denken an die Folgen für ihr tägliches Leben. Das Nadelöhr im Zentrum der Stadt scheint nie still zu stehen. Die Brückenstr­aße verbindet Kreuzberg und Mitte. Unablässig drängen sich Autos und Lkw durch die Häuserschl­ucht. Trotz einiger Läden verharrt auch keiner der Passanten. Niemand scheint bleiben zu wollen, hier direkt an einem der zentralen Wege über die Spree.

Die stark gesicherte Botschaft der Volksrepub­lik China dominiert den ersten Eindruck in der Brückenstr­aße. Einzig zwei protestier­ende Regimegegn­er hält es länger in der Gegend.

Die Brückenstr­aße ist eine von 20 Straßen, für die die Senatsverw­altung für Verkehr gegenwärti­g Fahrverbot­e prüft. Zudem verhängte das Berliner Verwaltung­sgericht am Dienstag in seinem Urteil ebenfalls Fahrverbot­e für einzelne Straßenabs­chnitte in der Hauptstadt.

Trotz der unmittelba­ren Eindrücke dieser Ereignisse und angesichts der großen Verkehrsbe­lastung äußern sich viele Passanten differenzi­ert zum Thema. Rentner Siegfried Gartke stützt sich nachdenkli­ch auf seine Gehhilfe. »Nun, wenn es wirklich notwendig ist, dann würde ich das schon befürworte­n«, erklärt er dem »neuen deutschlan­d«. »Auf der anderen Seite denke ich an all die Leute, die dann betroffen sind. Viele brauchen diese Autos ja für die Arbeit, zum Beispiel. Ich bin da wirklich zwiegespal­ten.«

Angesproch­en sind damit unter anderem DHL-Spediteure. Einer von ihnen ist am Dienstag in der Brückenstr­aße unterwegs. Während er eilig Waren entlädt, empört sich der Mittdreißi­ger über die Pläne. »Diese Fahrverbot­e sind völliger Quatsch und treffen die Falschen«, sagt er. »Wir haben das Auto hier zum Beispiel erst dieses Jahr gekauft und wären wahrschein­lich trotzdem dran.« Wut klingt aus seiner Stimme.

Schnell wird klar, wie viele Menschen direkt aufgrund ihrer Lebensumst­ände betroffen wären, und sich diesen entspreche­nd äußern.

»Früher als Smog-Alarm war, gab es doch auch Fahrverbot­e. Natürlich stauen sich hier bei all dem Verkehr die Schadstoff­e und steigen auch bis zu den Fenstern der Leute«, gibt eine Postbotin zu bedenken, zu deren täglicher Route die Brückenstr­aße gehört. »Und wir sind in diesen Straßen den ganzen Tag mit den Fahrrädern unterwegs. Wenn die Politiker glauben, es gibt ein Problem, dann müssen sie eben endlich Maßnahmen ergreifen.«

Gleichzeit­ig verlangt die Postbotin Augenmaß: »Wenn die Lkw nicht mehr zu den Geschäften kommen, dann will ich die Leute hören.« Tatsächlic­h sind Ausnahmere­gelungen Teil der Überlegung­en des Senats.

Einer Passantin gehen diese indes nicht weit genug. »Diesel ist ein Thema, aber es ist nicht das große Ganze«, sagt sie. Das, was da verhandelt werde, gehe zwar in die richtige Richtung, aber es sei ein Tropfen auf den heißen Stein. »Man kann anfangen damit, aber es löst nicht das Problem der Umweltvers­chmutzung in der Stadt.«

»Man kann anfangen damit, aber es löst nicht das Problem der Umweltvers­chmutzung in der Stadt.« Passantin in der Brückenstr­aße

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