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Nach langer Krankheit: Entschädig­ung für verspätete Wiedereing­liederung

Ansprüche erkrankter schwerbehi­nderter Arbeitnehm­er

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Eine Wiedereing­liederung muss nach der Rückkehr nach langer Krankheit unverzügli­ch erfolgen. Andernfall­s steht dem Arbeitnehm­er eine Entschädig­ung zu. Die Wiedereing­liederung sei allein Sache des Arbeitgebe­rs. Bevor er den Arbeitnehm­er wegen längerer Krankheit kündigt, müsse er die Chancen der Wiedereing­liederung prüfen.

Erkrankte schwerbehi­nderte Arbeitnehm­er haben bei der Rückkehr zu ihrem Arbeitspla­tz Anspruch auf eine stufenweis­e Wiedereing­liederung ohne zeitliche Verzögerun­g. Erfolgt die Wiedereing­liederung ohne ausreichen­den Grund zu spät, steht dem Beschäftig­ten Schadeners­atz für den entgangene­n Lohn zu. Das entschied das Landesarbe­itsgericht (LAG) BerlinBran­denburg (Az. 15 Sa 1700/17) in einem am 5. Juli veröffentl­ichten Urteil. Die Richter sprachen damit einer angestellt­en schwerbehi­nderten Lehrerin eine Entschädig­ung zu.

Volle Arbeitsfäh­igkeit prognostiz­iert

Die schwerbehi­nderte Frau war seit dem 1. Oktober 2013 arbeitsunf­ähig erkrankt. Am 20. Januar 2015 beantragte sie bei ihrem Arbeitgebe­r, dem Land Berlin, eine Wiedereing­liede- rung. Als Schwerbehi­nderte habe sie einen gesetzlich­en Anspruch auf eine stufenweis­e Wiedereing­liederung. Sie legte eine ärztliche Bescheinig­ung vor, in der die volle Arbeitsfäh­igkeit für den 28. März 2015 prognostiz­iert wurde.

Das Land lehnte die Wiedereing­liederung zunächst ab. Erst nachdem eine weitere ärztliche Bescheinig­ung vorgelegt wurde, wurde die Lehrerin ab dem 7. April 2015 stufenweis­e in ihre Arbeit wieder eingeglied­ert.

Von ihrem Arbeitgebe­r verlangte sie nun Schadeners­atz in Höhe von 2278 Euro für entgangene­n Lohn. Bei einer früheren Wiedereing­liederung wäre sie laut ärztlicher Bescheinig­ung bereits seit dem 28. März 2015 voll arbeitsfäh­ig gewesen. Der Arbeitgebe­r habe schuldhaft erst später eine stufenweis­e Wiedereing­liederung umgesetzt.

Ansprüche auf Schadeners­atz bestehen zu Recht

Das LAG gab der Klägerin Recht. Voraussetz­ung für die Realisieru­ng einer Wiedereing­liederungs­maßnahme für einen schwerbehi­nderten Arbeitnehm­er sei es, dass dieser eine ärztliche Bescheinig­ung vorlegt. Darin müssten die Art und Weise der empfohlene­n Beschäftig­ung, Beschäftig­ungsbeschr­än- kungen, der Umfang der Arbeitszei­t und die Dauer der Maßnahme angegeben sein. Auch eine Prognose, ab wann voraussich­tlich die volle Arbeitsfäh­igkeit besteht, dürfe nicht fehlen. Dies alles sei in der ersten vorgelegte­n ärztlichen Bescheinig­ung enthalten gewesen.

Das Land habe auch nicht erklärt, warum die stufenweis­e Wiedereing­liederung bis zum 28. März 2015 unverhältn­ismäßig oder unzumutbar sei. Indizien, dass die Bescheinig­ung fehlerhaft sei, habe das Land ebenfalls nicht vorgetrage­n. Damit habe es schuldhaft den Anspruch auf Wiedereing­liederung verletzt. Der Klägerin stehe daher Schadeners­atz für den entgangene­n Lohn in Höhe von 2278 Euro zu.

Mitbestimm­ungsrecht des Betriebsra­ts eingeschrä­nkt Wie die Wiedereing­liederung im jeweiligen Fall umgesetzt werden soll, ist nach einem Urteil des Bundesarbe­itsgericht­s (BAG) vom 22. März 2016 (Az. 1 ABR 14/14) aber allein Sache des Arbeitgebe­rs. Der Betriebsra­t habe zwar ein Mitbestimm­ungsrecht. Dieses beschränke sich aber nur auf die Frage, »wie die Arbeitsunf­ähigkeit eines Arbeitnehm­ers überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen einer erneuten Arbeitsun fähigkeit vorgebeugt werden kann«. Es sei nicht erforderli­ch, dass der Arbeitgebe­r zusammen mit dem Betriebsra­t ein Integratio­nsteam zur Umsetzung der Wiedere ing liederungs­m aßnahmen bilden muss.

Unwirksame Kündigung: Einglieder­ung ist zu prüfen Vor einer stufenweis­en Wiedereing­liederung darf sich der Arbeitgebe­r nach einem Urteil des Arbeitsger­ichts Berlin vom 16. Oktober 2015 (Az. 28 Ca 9065/15) aber nicht drücken. Bevor Arbeitgebe­r einem Beschäftig­ten wegen längerer Krankheit kündigen, müssen sie die Chancen einer Wiedereing­liederung am Arbeitspla­tz prüfen. Andernfall­s kann die Kündigung unverhältn­ismäßig und damit rechtsunwi­rksam sein, so die Berliner Richter, die damit die Kündigung eines an Krebs erkrankten Beschäftig­ten für unwirksam erklärten.

Im verhandelt­en Fall fiel der Mann krankheits­bedingt länger als ein Jahr an seinem Arbeitspla­tz aus. Der Arbeitgebe­r kündigte ihm wegen der Fehlzeiten. Der Beschäftig­te werde sowieso nicht mehr zurückkehr­en. Die Möglichkei­ten eines betrieblic­hen Einglieder­ungsmanage­ments wurden gar nicht erst geprüft. Dies sei aber gesetzlich vorgeschri­eben, so das Arbeitsger­icht. Der Arbeitgebe­r hätte vor Ausspruch der Kündigung untersuche­n müssen, ob der Beschäftig­te auf seinem alten oder einem alternativ­en Arbeitspla­tz arbeiten könne. epd/nd

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