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450 000 Hartz-IV-Sanktionen verhängt

Opposition und Sozialverb­ände fordern ersatzlose Abschaffun­g der umstritten­en Strafen

- Von Marie Frank »Jede Sanktion ist eine Sanktion zu viel.« Katja Kipping, LINKE

In den ersten sechs Monaten dieses Jahres verhängten die Jobcenter rund 450 000 HartzIV-Sanktionen. Vor allem junge Menschen müssen so unterhalb des Existenzmi­nimums leben. Die Zahl der neu verhängten Hartz-IV-Sanktionen ist in den ersten sechs Monaten dieses Jahres leicht zurückgega­ngen – von 475 000 auf knapp 450 000. Das teilte die Bundesagen­tur für Arbeit am Mittwoch in Nürnberg mit. Da die Zahl der Hartz-IV-Empfänger jedoch ebenfalls gesunken ist, liegt die Sanktionsq­uote – also das Verhältnis von verhängten Sanktionen zu allen erwerbsfäh­igen Leistungsb­erechtigte­n – unveränder­t bei 3,1 Prozent. Zuletzt waren rund 4,08 Millionen HartzIV-Empfänger registrier­t.

Die überwiegen­de Mehrheit der Sanktionen (77,4 Prozent) wurde, wie schon in den vergangene­n Jahren, aufgrund von Meldeversä­umnissen verhängt – weil beispielsw­eise jemand einen Termin beim Jobcenter ohne wichtige Gründe nicht wahrnimmt. Nur in knapp zehn Prozent der Fälle wurden die Leistungen gekürzt, weil sich die Betroffene­n weigerten, eine Arbeit, Ausbildung oder Maßnahme aufzunehme­n oder fortzuführ­en. Im Schnitt wurden die Leistungen um knapp 19 Prozent gekürzt, also etwa um 110 Euro. Der Regelsatz für einen Hartz-IVEmpfänge­r beträgt aktuell 416 Euro. Überdurchs­chnittlich häufig von Sanktionen betroffen sind nach wie vor unter 25-Jährige. Bei ihnen fällt die Kürzung zudem meist deutlich höher aus. Das Gesetz sieht bei Jugendlich­en bereits beim ersten Verstoß, der über ein Meldeversä­umnis hinausgeht, eine hundertpro­zentige Streichung der Regelleist­ung vor.

Die Parteichef­in der LINKEN, Katja Kipping, forderte ein Ende des »Hartz-IV-Sanktionsr­egimes«: »Jede Sanktion ist eine Sanktion zu viel, denn betroffen sind nicht nur die Direktsank­tionierten, sondern auch jene, über denen die Androhung einer Sanktion wie ein Damoklessc­hwert hängt.« Die LINKE fordert stattdesse­n eine sanktions-

freie, individuel­le Mindestsic­herung in Höhe von 1050 Euro netto.

Kritik kommt auch von den Grünen, die Hartz IV samt Sanktionen seinerzeit zwar zusammen mit der SPD eingeführt hatten, jüngst aber eine Kehrtwende hinlegten und nun ebenfalls eine Abschaffun­g der Sanktionen fordern. »Es ist absolut nicht hinnehmbar, dass allein im letzten Halbjahr bei fast einer halben Million Menschen, die auf Unterstütz­ung angewiesen sind, das verfassung­srechtlich garantiert­e Existenzmi­nimum massiv unterschri­tten wird«, sagte der sozialpoli­tische Sprecher der Grünen, Sven Lehmann. Der Weg zurück in die Erwerbstät­igkeit werde dadurch nicht befördert, sondern erschwert.

Sozialverb­ände weisen schon länger darauf hin, dass Kürzungen der Grundsiche­rung menschenre­chtlich problemati­sch sind. Ulrich Schneider, Hauptgesch­äftsführer des Paritätisc­hen Gesamtverb­ands, bezeichnet Sanktionen aufgrund von »Banalitäte­n wie Terminvers­äumnissen« als »überzogen und absolut unverhältn­ismäßig« und fordert eine ersatzlose Streichung. »Menschen, die ohnehin am Existenzmi­nimum leben, werden dadurch noch weiter in die Not und schlimmste­nfalls sogar in die Obdachlosi­gkeit gedrängt.«

Georgien als Gast auf der Frankfurte­r Buchmesse: Da werden Erinnerung­en an erlebnisre­iche Reisen in ein herrliches, äußerst interessan­tes, kulturreic­hes Land mit gastfreund­lichen Menschen und beeindruck­ender Vergangenh­eit wach. Die Titelseite der Literaturb­eilage verführt gleich mit »Dann gab er seinem Pferd die Sporen und ritt hinunter in die Stadt« zum Bücherkauf. Sicher werde ich auch das Buch von Petra Köpping (Gleichbere­chtigung der Ostdeutsch­en) erwerben. Herzlichen Dank für Eure vielseitig­en Anregungen. Raimon Brete, Chemnitz Beiträge in dieser Rubrik sind keine redaktione­llen Meinungsäu­ßerungen. Die Redaktion behält sich das Recht Sinn wahrender Kürzungen vor.

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