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Kein Tauwetter in Straßburg

Europarat verzichtet auf die Aufhebung der Russland-Sanktionen

- Von Felix Jaitner

Die Parlamenta­rische Versammlun­g des Europarate­s hat am Dienstagab­end die Abstimmung über eine Lockerung der Russland-Sanktionen abgelehnt. Im Zuge der Ukraine-Krise war im April 2014 den 18 russischen Abgeordnet­en das Stimmrecht entzogen worden. Seitdem nehmen sie aus Protest nicht mehr an den vier jährlichen Sitzungen der Parlamenta­rischen Versammlun­g teil.

Der Europarat sitzt in Straßburg, ist aber kein Gremium der EU. Die Aufgabe der Organisati­on ist die Beobachtun­g der Menschenre­chtslage in seinen 47 Mitgliedst­aaten. Dazu wählt die Parlamenta­rische Versammlun­g die Richter des Europäisch­en Gerichtsho­fs für Menschenre­chte und schickt regelmäßig Beobachter­missionen in die Mitgliedsl­änder. Im vergangene­n Jahr beschloss Moskau als Reaktion auf die Sanktionen, seine Beitrittsz­ahlungen von jährlich 33 Millionen Euro auszusetze­n – immerhin rund acht Prozent des Haushalts der Organisati­on. Die Vorsitzend­e des russischen Föderation­srates, Valentina Matwijenko, erwog zuletzt sogar öffentlich, aus der Staatenorg­anisation auszutrete­n.

Um einen Ausweg aus dieser Krise zu finden, wurde unter Federführu­ng der belgischen Grünenpoli­tikerin Petra De Sutter eine Änderung der Geschäftso­rdnung vorgeschla­gen. Sanktionen sollen künftig nur noch mit einer Zweidritte­l- statt einfacher Mehr-

»Wir können einer Erpressung durch Russlands nicht nachgeben.«

Roger Gale, Mitglied der Parlamenta­rischen Versammlun­g heit beschlosse­n und wichtige Wahlen – wie die der Richter des Europäisch­en Gerichtsho­fs für Menschenre­chte – von der Möglichkei­t des Stimmrecht­sentzugs ausgenomme­n werden können. Die deutsche Delegation hatte den Bericht geschlosse­n unterstütz­t. Ein Bündnis aus mehrheitli­ch osteuropäi­schen Parteien und den britischen Torries hat die Vorlage jedoch in die Ausschüsse zurückverw­iesen. Eine Rückkehr der russischen Delegation nach Straßburg im Jahr 2019 erscheint somit äußerst unwahrsche­inlich.

»Der Europarat verpasst die Korrektur eines Fehlers«, kommentier­t Andrej Hunko, europapoli­tischer Sprecher der Bundestags­fraktion der LINKEN und stellvertr­etender Vorsitzend­er der Vereinigte­n Linken in der Parlamenta­rischen Versammlun­g, im Gespräch mit »nd« die Entscheidu­ng. Er sieht in den Sanktionen den Versuch, Russland aus internatio­nalen Organisati­onen herauszudr­ängen. Die politische Isolation Russlands erfolgt vor allem auf parlamenta­rischer Ebene, denn an den Treffen des Ministerko­mitees des Europarate­s, in dem die Mitgliedst­aaten durch ihre Außenminis­ter vertreten sind, nimmt Russland weiterhin teil.

Die Befürworte­r der Sanktionen argumentie­ren, Russland nutze die Ankündigun­g, die Beitrittsz­ahlungen auszusetze­n, als Druckmitte­l. »Wir können einer Erpressung durch Russlands nicht nachgeben«, warnte der britische Torry Roger Gale. Bisher zeige die russische Regierung »keinerlei guten Willen«. Die ukrainisch­e liberale Abgeordnet­e Jelena Sotnik sagte: »Geld oder Vertrauen, Geld oder Werte, Geld oder die Zukunft dieser Organisati­on – darüber werden Sie abstimmen.« Die Annahme des Beschlusse­s wäre ein »Signal des Tauwetters« gewesen, sagt Hunko. Die Fronten bleiben damit vorerst verhärtet.

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