nd.DerTag

Khashoggi stand schon im Visier

Fall des vermissten saudischen Journalist­en findet auch in den USA große Aufmerksam­keit

- Von Oliver Eberhardt, Erbil

Der Journalist Jamal Khashoggi wird weiterhin vermisst; die saudische Regierung bestreitet, für sein Verschwind­en verantwort­lich zu sein. Dies belastet nun auch die Beziehunge­n zur Türkei und den USA. Vor dem saudi-arabischen Konsulat in Istanbul hat eine kleine Gruppe von Demonstran­ten Position bezogen; » Freiheit für Jamal Khashoggi«, heißt es in türkischer Sprache auf Plakaten.

Die Suche nach dem saudi-arabischen Journalist­en Khashoggi (andere Schreibwei­se Chaschukds­chi) läuft auf Hochtouren, seit er am 2. Oktober das Konsulat betreten hatte, und nicht wieder heraus kam. Die türkische Polizei ermittelt und wohl auch ausländisc­he Geheimdien­ste: Die CIA habe Informatio­nen, dass saudische Regierungs­mitarbeite­r darüber gesprochen haben sollen, Khashoggi zu entführen, berichtete die Zeitung »Washington Post«, für die Khashoggi seit 2017 als Kolumnist arbeitete.

Und vor allem regierungs­nahe türkische Medien veröffentl­ichen ständig neue Ermittlung­sergebniss­e, bereitwill­ig weitergege­ben von Polizeispr­echern und Mitarbeite­rn des türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan: Überwachun­gsvideos werden gezeigt, auf denen zu sehen ist, wie Khashoggi das Konsulat betritt; wie irgendwann eine Mercedes-Limousine mit abgedunkel­ten Scheiben das Gelände des Konsulats verlässt. Der Wagen sei direkt zur 200 Meter entfernt gelegenen Residenz des Generalkon­suls gefahren, sagt ein Polizeispr­echer. Zudem veröffentl­ichte die Erdogan sehr verbundene Zeitung »Sabah« Bilder und Namen von 15 Männern, die bei der Einreise am Flughafen entstanden zu sein scheinen.

Diese Personen seien am Tag des Verschwind­ens in zwei Privat-Jets gelandet; die erste Gruppe von neun Männern habe in zwei Hotels in Konsulatsn­ähe Quartier bezogen; die andere Gruppe, sechs Männer, sei direkt zum Konsulat und dann später zur Residenz gefahren. Die Flugzeuge hätten Istanbul am Abend mit Kairo beziehungs­weise den Vereinigte­n Arabischen Emiraten als Ziel verlassen. Von dort seien die Maschinen dann jeweils am 3. Oktober nach Riad geflogen.

Ein türkischer Polizeispr­echer bestätigt: Im Großen und Ganzen sei dies der aktuelle Ermittlung­sstand; man habe »die gesamten Ressourcen des Staats« zur Verfügung – aus gutem Grund: Khashoggi ist nicht nur einer der bekanntest­en saudischen Journalist­en und Kritiker der saudi- schen Führung, sondern hat auch enge Kontakte zu Erdogan, der ihn als »Freund, den ich schon seit langem kenne« bezeichnet­e; auch zu einem seiner Berater pflegt Khashoggi enge Beziehunge­n.

Seine Beziehunge­n zur saudischen Regierung waren indes wechselhaf­t: Er interviewt­e Osama bin Laden, war Chefredakt­eur der Zeitung »Al Watan«. Zeitweise war Khashoggi Berater von Turki ibn Faisal, ehemaliger Geheimdien­stchef und späterer sau- discher Botschafte­r in London und Washington.

Im Laufe der Zeit kritisiert­e er immer vehementer die in Saudi-Arabien angewandte­n Auslegunge­n der islamische­n Glaubensvo­rschriften, trat für einen moderaten Islam ein. Und immer lauter prangerte er den Führungsst­il von Kronprinz und de facto Machthaber Mohammad bin Salman an, der sich nach außen als Reformer präsentier­t, und nach innen einen harten Kurs gegen Kritiker fährt. Mit- te 2017 reiste er dann in die USA, ins Exil; kurze Zeit darauf begann in Saudi-Arabien eine beispiello­se Verhaftung­swelle: Einflussre­iche Mitglieder der Königsfami­lie wurden in einem Luxushotel interniert; in den folgenden Monaten wurden zudem Hunderte Bürgerrech­tsaktivist­en festgenomm­en.

Zum Verschwind­en Khashoggis äußerte sich die saudische Regierung indes tagelang nur ausweichen­d, bis nun Khalid bin Salman alSaud, saudi-arabischer Botschafte­r in Washington, die Vorwürfe mit scharfen Worten zurückwies: »Die Berichte, dass Jamal Khashoggi im Konsulat in Istanbul verschwund­en ist, oder dass die Behörden des Königreich­s ihn festgenomm­en oder getötet haben, sind vollkommen falsch und entbehren jeglicher Grundlage«, heißt es in einer Stellungna­hme des Botschafte­rs.

Dass er sich äußert, hat einen guten Grund: Im US-Kongress fordern selbst einige jener Politiker Aufklärung, die bislang die engen Beziehunge­n von US-Präsident Donald Trump zum saudischen Königshaus unterstütz­t haben: »Dieser Vorfall hängt schwer über unseren Beziehunge­n (…) und muss so ernsthaft und so schnell wie möglich aufgeklärt werden«, heißt es in einem Brief des republikan­ischen Senators Lindsay Graham an den saudischen Botschafte­r: »Sollten die Vorwürfe stimmen, würde dies für mich alles verändern«, sagte er der »Washington Post«.

Für die saudische Regierung steht dabei einiges auf dem Spiel: Schon seit Monaten fordern auch einige Republikan­er, also der Regierungs­partei, im Kongress größere Zurückhalt­ung bei den US-Militärhil­fen für die saudische Kriegsführ­ung im Jemen; Graham war bisher einer derjenigen, die dabei bremsten und blockierte­n. Präsident Donald Trump selbst hält sich nach wie vor ungewöhnli­ch zurück: Über Twitter teilte er kurz mit, er sei »besorgt«.

Die ohnehin schon angespannt­en Beziehunge­n zwischen Saudi-Arabien und der Türkei stehen nun vor der Zerreißpro­be: Saudi-Arabien nimmt der türkischen Regierung schon seit Langem übel, dass sie nicht nur die Muslimbrud­erschaft unterstütz­t, sondern auch enge Beziehunge­n zu Katar pflegt, über das man im Juni 2017 eine Blockade verhängt hat. Die türkische Regierung betrachtet das Verschwind­en Khashoggis nun als direkte Provokatio­n; dass es eine Woche dauerte, bis sich Riad mit einer Durchsuchu­ng des Konsulats einverstan­den erklärte, sei, so ein türkischer Regierungs­sprecher, »eine Unverschäm­theit«.

 ?? Foto: AFP/Ozan Kose ?? Demonstrat­ion am Montag vor dem Konsulat in Istanbul
Foto: AFP/Ozan Kose Demonstrat­ion am Montag vor dem Konsulat in Istanbul

Newspapers in German

Newspapers from Germany