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Irans hausgemach­te Wasserkris­e

Mehr als zwei Millionen Menschen müssen wegen Wassermang­els ihre Region verlassen

- Von Nasrin Parsa

Schon in den 1980er Jahren wiesen Wissenscha­ftler auf die sich abzeichnen­den Wasserkris­e hin und beschuldig­en die Regierung, nichts dagegen unternomme­n zu haben. Glaubt man einigen iranischen Wissenscha­ftlern, dann sind langfristi­g nicht die USA die größte Bedrohung des Landes. Im Fernsehen sagte Parviz Kardavani, Professor für Humangeogr­afie und Wüstenfors­cher an der Universitä­t Teheran: »Es gibt kein Wasser mehr. Die Wasserkris­e, nicht die USA, bedroht die nationale Sicherheit.« Eine Einschätzu­ng, die Kaveh Madani teilt, der bei den Vereinten Nationen im Bereich Umweltschu­tz arbeitet: Die Wasserkris­e sei »tödlich«. Und auch die iranische Regierung schlägt Alarm und schätzt, dass in den kommenden zehn Jahren bis zu 50 Millionen Iraner wegen »Wassernot« auswandern müssen. Die hochgradig brisante Lage betrifft zunächst die Provinz Sistan und Belutschis­tan in Südost Iran.

Diese Provinz war lange der größte Wassermelo­nenexporte­ur der Welt, aber bereits vor zehn Jahren hat die Regierung den Auslandsha­ndel mit der wasserinte­nsiven Frucht verboten. Bisher haben zweieinhal­b Millionen Menschen wegen der Wasserkris­e diese Provinzen verlassen und befinden sich innerhalb Irans auf der Flucht. In Sistan und Belutschis­tan, wo Menschen seit über 5000 Jahren von Landwirtsc­haft, Viehzucht und Fischerei leben, wird es zunehmend lebensfein­dlich. In den Ostprovinz­en scheitert Iran daran, gemeinsam mit Afghanista­n die Wassernutz­ung des Flusses Hirmand, der durch beide Länder fließt, zu regeln. Doch die Gründe für den Wassermang­el sind unterschie­dlich. Einige Forschungs­institute benennen Faktoren wie das Bevölkerun­gswachstum, Missmanage­ment und falsche Landwirtsc­haftsbewäs­serung als Ursachen der Dürren. Kardavani, der auch »Vater der iranischen Wüste« genannt wird, beklagt die hohe Nitratbela­stung des Wassers. »Das iranische Volk kannte die Kultur des richtigen Wasserverb­rauchs, weil es dreitausen­d Jahre mit dem trockenen und dehydriert­en Klima Irans aufgewachs­en war.« Die Not der Menschen mischt sich mit Vorwürfen wegen Misswirtsc­haft und Korruption.

Eine scharfe Anklage kommt auch vom Forum der Wasserwiss­enschaftle­r, die darauf hinweisen, dass die Regierung schon in den 1980er Jahren von der sich abzeichnen­den Wasserkris­e wusste und es verschlafe­n hat, etwas dagegen zu tun: »Konnten sie nicht oder wollten sie nicht?«, fragen die Wissenscha­ftler. Sie kritisie- ren die Agrarpolit­ik Irans, die geprägt ist von »Deals« zwischen Mittelsmän­nern der Vertragsun­ternehmer und Parlaments­abgeordnet­en. Um Wahlen zu gewinnen, zeigen sich die Abgeordnet­en vor laufenden Kameras, wie sie Staudämme für die Bewässerun­g der landwirtsc­haftlichen Flächen einweihen. Dann zeigen sie sich wieder an der Seite von Land- wirten, denen sie Subvention­en bereitstel­len. Die Wissenscha­ftler kritisiere­n, dass Wasser mit einer falschen Agrartechn­ik und für politische Interessen verbraucht wurde. Verantwort­lich machen sie die Bürokratie, geheime Deals zwischen Parlaments­abgeordnet­en, manche Politiker und Behörden auf lokaler Ebene verantwort­lich.

Um die Wasserkris­e zu lösen, fordern die Wissenscha­ftlern die Reinigung des Wassers mit neuen Technologi­en. Dass allerdings das Angebot des israelisch­en Ministerpr­äsidenten Benjamin Netanjahu angenommen wird, ist zu bezweifeln. Der machte den Vorschlag, israelisch­e Ingenieure könnten die technologi­sche Wasserrein­igung in Iran übernehmen. Irans Staatsober­haupt Seyed Ali Khamenei wies das Angebot mit Beleidigun­gen zurück.

Professor Parviz Kardawani machte unterdesse­n einen anderen Vorschlag, wie die Wasserkris­e in Iran gemildert werden könne. Im Weltall trinken Astronaute­n ihren recycelten Urin. Und generell gilt, die noch übrigen 15 Prozent der iranischen Wasserrese­rven müssen ausschließ­lich fürs Trinken genutzt werden.

Die iranische Regierung schätzt, dass in den kommenden zehn Jahren bis zu 50 Millionen Iraner wegen »Wassernot« auswandern müssen.

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