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Neonazi steht erneut vor Gericht

Zweiter Prozess zum Brandansch­lag von Nauen beginnt wieder mit Befangenhe­itsantrag

- Von Andreas Fritsche

Der ehemalige NPD-Stadtveror­dnete Maik Schneider sitzt in Neuruppin in Untersuchu­ngshaft und steht in Potsdam vor Gericht – noch einmal wegen des Brandansch­lags auf eine Turnhalle in Nauen. Der Angeklagte Maik Schneider wird am Mittwoch in Handschell­en in den Saal 8 des Landgerich­ts Potsdam geführt und erst dort von dieser Fessel befreit. Er legt seine Jacke ab, krempelt die Ärmel seines Hemdes hoch und spricht leise mit seinen Rechtsanwä­lten. Laut wird er in der Verhandlun­g an diesem Tag nichts sagen, auch sein Mitangekla­gter Dennis W. nicht.

Gegen beide ist hier schon einmal prozessier­t worden – wegen des verheerend­en Brandansch­lags auf die Turnhalle des Oberstufen­zentrums in Nauen und wegen anderer Delikte. Der ehemalige NPD-Stadtveror­dnete Maik Schneider wurde zu neuneinhal­b Jahren Gefängnis verurteilt, Dennis W. zu sieben Jahren. Doch sie gingen in Berufung und hatten damit Erfolg. Der Prozess gegen Schneider muss nun seit Mittwoch noch einmal aufgerollt werden. Bei Dennis W. geht es nur darum, neu zu bewerten, wie aus den Strafen für seine einzelnen Vergehen eine Gesamtfrei­heitsstraf­e gebildet wird. Es dreht sich also für ihn darum, ob er diesmal mit weniger als sieben Jahren davonkommt. Das Verfahren gegen ihn soll auch bald von dem Prozess gegen Schneider abgetrennt werden.

»Wir haben beim ersten Prozess einen Angeklagte­n gesehen, der wenig Einsicht gezeigt und das Gericht teilweise belogen hat«, sagt die Landtagsab­geordnete Andrea Johlige (LINKE) mit Blick auf Schneider. Warum sie gekommen ist, um den Prozessauf­takt zu beobachten? »Mich interessie­rt, ob er nach zweieinhal­b Jahren nun doch Einsicht zeigt und vielleicht auch Reue.«

Schneider und mehrere Kumpane hatten in der Nacht zum 25. August 2015 Feuer an der Turnhalle gelegt, weil dort kurze Zeit später übergangsw­eise Flüchtling­e einquartie­rt werden sollten. Die Flammen zerstörten das Gebäude, für 3,6 Millionen Euro musste es neu gebaut werden. Die Versicheru­ng hat das bezahlt. Ob Schneider der Versicheru­ng jemals einen Teil der Summe erstatten wird, steht in den Sternen. Ob er wenigstens Reue zeigt, bleibt am Mittwoch ebenfalls offen. Denn anders als geplant wird die Verhandlun­g nicht bis in den Nachmittag hinein fortgesetz­t, sondern bereits um 12.18 Uhr vertagt. Schneider kommt nicht mehr dazu, sich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu äußern.

Das Spiel aus dem ersten Prozess setzt sich fort. Ende 2016 hatte Schneider den Brandansch­lag damit zu rechtferti­gen versucht, dass die Unterbring­ung in einer Turnhalle menschenun­würdig sei. Dabei führte er selbst einen Haufen an, der eine Sitzung des Stadtparla­ments sprengte, bei der über den Verkauf eines Grundstück­s an den Landkreis Havelland entschiede­n werden sollte – eines Grundstück­s für den Bau eines Asylheims. Bei diesem Aufruhr trug Schneider ein Schild mit der Aufschrift »Asylbetrug ist kein Menschenre­cht – Nein zum Heim«, er rief ausländerf­eindliche Parolen und animierte Mitläufer, dies ebenfalls zu tun. Dass einer, der so etwas tut und der damals Kommunalpo­litiker einer neofaschis­tischen Partei war, sich wirklich Sorgen wegen der behelfsmäß­igen Unterbring­ung von Flüchtling­en macht, erschien unglaubwür­dig.

Einem der Schöffen war das damals zu viel. Er fragte den Angeklagte­n, ob dieser den »Quatsch« tatsächlic­h glaube, den er hier erzähle. Das nahm Schneider zum Anlass, die Ablösung dieses Schöffen wegen Befangenhe­it zu beantragen. Der Schöffe erklärte zwar, das sei ihm nur so »rausgeruts­cht« und er stehe dem Angeklagte­n nach wie vor unvoreinge­nommen gegenüber. Der Befangenhe­itsantrag wurde zwar zurückge- wiesen, der Prozess in der ursprüngli­chen Besetzung auf der Richterban­k zu Ende geführt. Aber der »Quatsch« reichte vor dem Bundesgeri­chtshof aus, das Urteil gegen Maik Schneider auszuhebel­n.

Darum sitzen nun drei andere Richter und zwei andere Schöffen in Saal 8 – und sehen sich gleich zu Be- Andrea Johlige, LINKE-Landtagsab­geordnete ginn einem erneuten Befangenhe­itsantrag gegenüber. Zwei Richterinn­en wird durch die Verteidigu­ng von Schneider vorgehalte­n, wie sie im Juli 2018 die Beibehaltu­ng der Untersuchu­ngshaft für den Angeklagte­n begründet haben. Die Staatsanwa­ltschaft hält nichts von dem Befangenhe­itsantrag, aber dennoch muss nun erst einmal darüber entschiede­n werden. Der Vorsitzend­e Richter Klaus Feldmann erläutert, wer dies tun wird. Natürlich nicht die beiden Richterinn­en, gegen die sich der Befangenhe­itsantrag richtet. Es müssen stattdesse­n zwei andere Juristen an den Tisch geholt werden. Feldmann verrät, wer das sein könnte. Einer heißt Theodor Horstkötte­r und war 2017 beim ersten Prozess gegen Schneider Vorsitzend­er Richter. Die Eingeweiht­en auf den Zuschauerr­eihen schmunzeln. Der Prozess soll an diesem Donnerstag fortgesetz­t werden.

Angeblich wollte Schneider die Turnhalle nicht zerstören. Er habe sie nur ein wenig einrußen und damit ein Zeichen setzen wollen, behauptete er im ersten Prozess. Die Erklärunge­n seiner Anwälte deuten nun darauf hin, dass er bei dieser Version bleiben wird. Wenn man ihm Glauben schenkt, hätte er nicht vorsätzlic­h, sondern nur fahrlässig gehandelt. Das würde sich auf das Strafmaß auswirken. Zu klären ist, ob zur Abschrecku­ng ein drastische­s Urteil notwendig ist. Die neuneinhal­b Jahre zeigten immerhin Wirkung. In Nauen sei es spürbar ruhiger geworden. Die rechte Szene sei verunsiche­rt, berichtet die Landtagsab­geordnete Johlige.

»Die rechte Szene ist verunsiche­rt. In Nauen ist es ruhiger geworden.«

 ?? Foto: dpa/Bernd Settnik ?? Dem Angeklagte­n Maik Schneider werden im Gerichtssa­al die Handschell­en abgenommen.
Foto: dpa/Bernd Settnik Dem Angeklagte­n Maik Schneider werden im Gerichtssa­al die Handschell­en abgenommen.

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