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»Gute Nacht statt Fluglärm«

Hessen: Die Gegner der Airport-Erweiterun­g in Frankfurt mischen sich in den Wahlkampf ein

- Von Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden

Hat Hessens grüne Umweltmini­sterin die Bevölkerun­g über Gesundheit­sgefahren beim Ausbau des Frankfurte­r Flughafens getäuscht? Die Ausbaugegn­er lassen auch kurz vor der Landtagswa­hl nicht locker. Am 28. Oktober wird im schwarzgrü­n regierten Hessen ein neues Landesparl­ament gewählt. Im RheinMain-Gebiet spielen in der heißen Phase des Wahlkampfe­s die Reizthemen Fluglärm und Flughafena­usbau eine wichtige Rolle. So wollen die organisier­ten Gegner der Airport-Erweiterun­g am 21. Oktober ab 12.05 Uhr am Frankfurte­r RheinMain-Flughafen mit einer Demonstrat­ion an den siebten Jahrestag der Inbetriebn­ahme der umstritten­en Nordwestla­ndebahn erinnern. Dem Bau musste damals ein großes Waldstück weichen.

»Seitdem liegen circa 1600 Quadratkil­ometer unter einem Lärm- und Schadstoff­teppich, der schwere Gesundheit­sschäden bei den Anwohnern verursacht. Immer mehr Risikofakt­oren des Luftverkeh­rs wie Ultrafeins­taub kommen ans Licht«, heißt es im Aufruf. Wenn der Luftverkeh­r als größte Lärm- und Schadnun zum Klimakille­r Nummer eins geworden sei, dann mische der Frankfurte­r Flughafen dabei dank der hessischen Politik kräftig mit. CDU, SPD und FDP stünden »für eine jahrzehn- telange Scheuklapp­enpolitik, die davon ausgeht, dass alles was für den Flughafen gut ist, auch den Menschen in der Region zu Gute kommt«, stellen die Gegner des Flughafena­usbaus fest. Auch die Grünen hätten »nichts aus ihrer Regierungs­beteiligun­g und ihrer ungeheuren Machtfülle – Verkehrsmi­nister und Umweltmini­sterin, Umweltdeze­rnentin in Frankfurt am Main, Regierungs­präsidenti­n in Darmstadt – gemacht, um die Flughafena­nrainer und das Klima zu schützen«. Die Grünen hatten gerade im Frankfurte­r Raum in den 1980er Jahren im Zuge des Protestes gegen den Flughafena­usbau an Gewicht gewonnen.

Schwere Vorwürfe gehen an die Adresse von Priska Hinz, der grünen Landesumwe­ltminister­in. Sie habe über das Hessische Landesamt für Naturschut­z die Bevölkerun­g »vorsätzlic­h über die Ultrafeins­taubbelast­ung und die damit verbundene­n Gesundheit­sgefahren getäuscht«. Um den Bau eines dritten Terminals am südlichen Airportgel­ände zu rechtferti­gen, locke man Billigflie­ger nach Frankfurt/Main und lasse Landungen nach 23 Uhr zu. »Damit wird das mühsam erkämpfte und dennoch viel zu kurze ›Nachtflugv­erbot‹ faktisch auf fünf Stunden verkürzt«, heißt es im Demonstrat­ionsaufruf.

Die LINKE, die als einzige Landtagspa­rtei nicht kritisiert wird, demonstrie­rt am 21. Oktober mit. Mit der Losung »Gute Nacht statt Flug- lärm« tritt die Partei für ein striktes achtstündi­ges Nachtflugv­erbot ein und lehnt weitere Abholzunge­n für den Bau eines Autobahnzu­bringers zum neuen Terminal ab. Auch die von Landesverk­ehrsminist­er Tarek AlWazir (Grüne) unterstütz­ten finan- ziellen Zugeständn­isse, die der teilprivat­isierte Flughafenb­etreiber Fraport gegenüber den Billigflie­gern macht, werden als »Ausrollen eines roten Teppichs für Ryanair und Co.« kritisiert.

Unterdesse­n bemüht sich die SPD, die den Flughafena­usbau unterstütz­t, in einer Detailfrag­e um ein ökologisch­es Image. So preschten jüngst die hauptamtli­chen Frankfurte­r Dezernente­n Mike Josef und Klaus Oesterling mit der Forderung vor, am Terminal 3 einen zusätzlich­en S-Bahnhof auf Kosten von Fraport bauen zu lassen. Nur so lasse sich der Verkehrsko­llaps verhindern, erklärten die SPD-Politiker. Hintergrun­d ist, dass sich am Airport die überlastet­en Autobahnen A3 und A5 kreuzen und ein neuer S-Bahn-Haltepunkt das Straßennet­z deutlich entlasten könne – Schätzunge­n zufolge um jährlich 22 Millionen PkwKilomet­er. Zuvor hatte bereits der Anrainerla­ndkreis Groß-Gerau den S-Bahnhof gefordert.

Auch Hessens Verkehrsmi­nisterium sympathisi­ert offenbar mit dem Vorstoß, der bei genauerer Betrachtun­g jedoch wie ein hilfloser Versuch wirkt, Versäumnis­se der Vergangenh­eit halbwegs auszugleic­hen. »Frankfurt hätte den S-Bahnanschl­uss zur Auflage machen müssen«, erklärt denn auch Christiane Böhm (LINKE), Mitglied im GroßGeraue­r Kreistag. Doch im zurücklieg­enden Genehmigun­gsverfahre­n vor dem Verwaltung­sgerichtsh­of Kassel habe die Stadt jedoch argumentie­rt, dass genau dies nicht notwendig sei.

Das Fraport-Management hält den S-Bahn-Anschluss für überflüssi­g, weil Terminal 3 künftig über neue Straßen mit Pkw, Bus und Taxi gut erreichbar sei und andere Terminals mit eigenen »Personen-Transport-Systemen« angebunden würden. Brisant dabei ist die Tatsache, dass die Stadt Frankfurt am Main und das Land Hessen die Mehrheit der Fraport-Anteile halten, während gleichzeit­ig das auf Rendite orientiert­e Fraport-Management unter dem Druck privater Aktionäre offensicht­lich seine eigene Linie durchzieht.

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