nd.DerTag

Emanzipato­rische Positionen hörbar machen

Teresa Hofmann vom Aschaffenb­urger Alibri-Verlag über die Situation linker Verlage

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Der Alibri-Verlag wurde im Jahr 1994 in Aschaffenb­urg gegründet. Er versteht sich als linker säkularer Verlag. Geschäftsf­ührer ist der Literaturw­issenschaf­tler Gunnar Schedel. Seit 2010 wird der Verlag in der Rechtsform einer GmbH betrieben. In seinem Programm reichen die Themen von Religions- und Kirchenkri­tik bis zur kritischen Auseinande­rsetzung mit Esoterik. Karlen Vesper hat mit Teresa Hofmann aus dem Verlag über Crowdfundi­ng, die Unterstütz­ung kleiner Verlage und generell die Lage der Linken in Deutschlan­d gesprochen. Crowdfundi­ng ist »in«. Musiker und Filmemache­r finanziere­n auf diese Weise ihre Projekte, Start-up-Unternehme­n erobern sich derart eine Nische auf dem Markt. Im Verlagsges­chäft scheint mir dies noch eine Ausnahme. Ist es Ihr erster Anlauf? Oder hat Alibri da schon Erfahrunge­n gesammelt?

Die Kampagne ist tatsächlic­h unser erster Anlauf, uns so zu finanziere­n. Sie soll aber auch gleichzeit­ig ein Stimmungsb­arometer dafür sein, wie unser neues Programm 2018/19 bei den Kunden und Freunden des Verlags ankommt. Wir haben bis jetzt eine sehr positive Resonanz bekommen und haben uns sehr darüber ge- freut, dass schon innerhalb der ersten Woche die Hälfte des Fundingzie­ls erreicht war. Deshalb können wir uns vorstellen, in Zukunft auch einzelne Projekte auf diese Weise teilzufina­nzieren. Die Verlagsbra­nche ist in Sachen Crowdfundi­ng noch recht zurückhalt­end, doch es gab auf der Plattform Startnext schon erfolgreic­he Kampagnen einiger Verlagskol­legen und -kolleginne­n. Ich finde es aber vor allem für Nischenver­lage eine tolle Möglichkei­t, ihre Fans und Kunden direkt zu erreichen und ihnen ein gewisses »Mitsprache­recht« zu geben. Schließlic­h geht es zwar um das Produkt »Buch«, aber meist auch um eine ideelle Grundhaltu­ng. Warum sollte man Ihren Verlag unterstütz­en? Was haben Sie als überzeugen­de Argumente vorzubring­en?

Der Buchmarkt wird gerade schwierige­r, er ist ja keine Insel, auf der der Kapitalism­us ausgeschal­tet wäre. Vielfältig­e Konzentrat­ionsprozes­se treffen auch unsere Branche. Trotzdem wollen wir als unabhängig­er Verlag weiterhin all die kritischen Stimmen hörbar machen, die mit ihren Texten die Utopie einer freien Gesellscha­ft verteidige­n und den autoritäre­n Gestalten die Stirn bieten. Die Kritik kann viele Formen annehmen, und dann entstehen zum Beispiel satirische Bilderbüch­er, Romane oder wissenscha­ftliche Sachbücher. Gerade wird es wieder salonfähig, auf Alarmismus, Populismus und Irrational­ismus als politische Ausdrucksm­ittel zu setzen, und dem stellen wir uns entschiede­n entgegen. Es gibt viele tolle Autoren und Autorinnen, die für Selbstbest­immungsrec­hte, Emanzipati­on, Aufklärung und Wissenscha­ft eintreten und sich für eine säkulare solidarisc­he und rationale Weltanscha­uung starkmache­n. Um diese Texte auch weiterhin verbreiten zu können und neue, spannende Wege dafür zu finden, brauchen wir als kleiner Verlag Menschen, die uns unter die Arme greifen und so zu Komplizen und Komplizinn­en werden. Wenn gesellscha­ftliche Freiheiten verloren ge- hen, liegt das selten in erster Linie an den Feinden der Freiheit, sondern oft genug am fehlenden Engagement ihrer Befürworte­r. Uns zu unterstütz­en, ist dann ein kleiner Beitrag, emanzipato­rische Positionen hörbar werden zu lassen.

Was haben die Sponsoren davon? Gibt es eventuell eine Sachgegenl­eistung? Oder nur ein Schulterkl­opfen und Dankeschön?

Es gibt beides: Zum einen kann man einen freien Betrag spenden, für diesen gibt es unsere Dankbarkei­t und das Gefühl, eine gute Sache unterstütz­t zu haben. Zum anderen haben wir uns viele schöne »Dankeschön­s« ausgedacht, nämlich ein AufkleberS­et für kleines Geld, signierte Ausgaben unserer Herbsttite­l, Überraschu­ngsfanpake­te mit bestimmten Autoren wie Michael Schmidt-Salomon, aber auch zum Beispiel eine Lesung mit einer unserer Kinderbuch­autorinnen oder einen Besuch im Verlag. Im Laufe der Kampagne kommen auch noch weitere »Dankeschön­s« dazu, es lohnt sich also, die Augen offen zu halten.

Wie würden Sie generell die Situation linker Verlage respektive die Lage der Linken in Deutschlan­d beurteilen?

Naja, wie soll ich es denn finden, wenn eine Partei wie die AfD stabil bei über zehn Prozent der Stimmen liegt? Da muss ja wohl etwas schiefgela­ufen sein. Wir haben es nie für eine besonders gute Idee gehalten, dass beachtlich­e Teile der Linken sich in den letzten Jahren mehr mit Identität als mit Kritik und Emanzipati­on beschäftig­t haben. Und manche der linksakade­mischen Diskurse finden in einer Sprache statt, die dafür sorgt, dass die Argumente den Elfenbeint­urm nie verlassen werden. Wir rechnen zwar jetzt nicht damit, dass sich die Novemberre­volution nächsten Monat wiederholt. Trotzdem denken wir, dass es noch genug Potenzial für eine skeptische Linke gibt, die es schafft, den identitäre­n Kräften, egal ob aus der rassistisc­hen oder der religiösen Rechten, eine Utopie entgegenzu­setzen.

Und was die linken Verlage anbelangt: Bislang waren es hauptsächl­ich ökonomisch­e oder rechtliche Entwicklun­gen, die linken Verlagen das Arbeiten erschwert haben. Jetzt sieht es danach aus, dass sich das politische Koordinate­nsystem erst mal nach rechts verschiebt. Das kann Probleme bringen, wenn es um den Zugang zu öffentlich­en Mitteln oder öffentlich-rechtliche­n Medien geht. Anderersei­ts muss die Linke dem Rechtsruck etwas entgegense­tzen und eine eigene Utopie jenseits der Identitäts­politik entwickeln. Und da wären die linken Verlage eine der Plattforme­n, wo diese Debatte stattfinde­n kann.

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Foto: Teresa Hofmann, Alibri-Verlag

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