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Die Sportler bleiben am Rand Neue Ausrichter­städte

Das IOC gibt sich reformfreu­dig, und muss doch wieder Kritik einstecken

- Von Oliver Kern

Das Internatio­nale Olympische Komitee hat in Buenos Aires viele Beschlüsse für die Zukunft gefasst. Der Widerstand gegen einige recht positiv klingende Nachrichte­n war dabei überrasche­nd groß. Die Olympische­n Jugendspie­le waren bislang keine für Kontrovers­en bekannte Veranstalt­ung. Die Wettbewerb­e von 14- bis 18-jährigen Nachwuchss­portlern fanden größtentei­ls unter Ausschluss der Öffentlich­keit statt. Für die Granden des Internatio­nalen Olympische­n Komitees (IOC) war das eine willkommen­e Abwechslun­g, müssen sie sich doch während der Spiele der Erwachsene­n immer mit Skandalen um Gigantismu­s, Korruption oder Doping herumschla­gen. Offenbar hatte jemand die Idee, dieser Ort der medialen Ruhe eigne sich gut für eine IOC-Vollversam­mlung. Doch fast alles, was in den vergangene­n Tagen in Buenos Aires so verkündet und beschlosse­n worden ist, erfuhr dann doch harschen Widerstand. Die Liste ist lang:

Eindämmung der Kosten

Zunächst wollte das IOC mit einem Überschuss punkten. Demnach hätte der Ausrichter der Winterspie­le 2018 in Pyeongchan­g einen Überschuss von 55 Millionen US-Dollar (etwa 48 Millionen Euro) erwirtscha­ftet. Das IOC führte dies auf seine Agenda 2020 zurück, der es Veranstalt­ern ermöglicht, Kosten einzuspare­n. »Früher haben wir von Städten gefordert, dass sie unsere Bedingunge­n erfüllen«, sagte IOC-Präsident Thomas Bach. »Heute fragen wir, wie wir die Spiele an die Möglichkei­ten der Städte an- passen können.« Dann verzichtet­e das IOC auch noch auf seine übliche Beteiligun­g am Überschuss – zugunsten des koreanisch­en Sports.

Doch wie so oft sind in diesen Zahlen nicht die Gesamtkost­en enthalten, sondern nur die für die Durchführu­ng der Spiele selbst. Infrastruk­turmaßnahm­en, vor allem im Straßenbau und der Modernisie­rung der Verkehrsan­bindungen sind nicht enthalten, da das IOC argumentie­rt, diese meist rein staatliche­n Investitio­nen kämen auch später der Gesellscha­ft zugute. Ganz falsch ist das nicht, aber auch nicht ganz aufrichtig, weil das moderne Olympia ohne diese Maßnahmen nicht funktionie­rt.

Daran erinnerte nun der japanische Rechnungsh­of, der moniert, dass die Sommerspie­le in Tokio 2020 nicht wie avisiert zehn, sondern mindestens 22 Milliarden Euro kosten werden. Da der Rechnungsh­of in seine Schätzung Projekte in der Landwirt- schaft und dem Ausbau von Wasserstof­f-Tankstelle­n einbezog, weil sie entfernt Bezug zu Olympia haben könnten, wehrte sich das IOC heftig: Das seien »keine Kosten der Spiele«, klagte der Vorsitzend­er der Koordinier­ungskommis­sion für Tokio, John Coates. Vielmehr hätten Veranstalt­er und IOC mittlerwei­le schon 3,7 Milliarden Euro eingespart.

Das kanadische Calgary, Cortina d’Ampezzo und Mailand in Italien sowie Schwedens Hauptstadt Stockholm sind die Finalisten im Rennen um die Winterspie­le 2026. Wer die Wahl gewinnt, entscheide­t sich im Juni 2019. Sie passen allesamt zum Wunsch des IOC, wieder zu den Wurzeln zurückzuke­hren, denn die drei Anwärter haben bereits Spiele ausgericht­et. Der Kritik, ständig nur neue Märkte zu erschließe­n, will das IOC etwas entgegense­tzen. Jedoch steht in Kanada noch eine Bürgerbefr­agung an, deren Ausgang ungewiss ist. Stockholm hat bislang nur Erfahrung in Sommerspie­len (1912 und die Reitwettbe­werbe 1956). Und Mailand und Cortina als Region zu bezeichnen, ist gewagt. Beide Orte liegen mehr als 250 Kilometer voneinande­r entfernt.

Wer die nächsten Jugendsomm­erspiele bekommt, wurde schon jetzt entschiede­n: 2022 werden sie in Dakar ausgetrage­n. Senegal wird somit erster Ausrichter olympische­r Wettbewerb­e in Afrika. Das Signal war dem IOC wichtig. Doch auch hier kam ihm eine Nachricht in die Quere: Sebastian Coe, Präsident des Leichtathl­etikweltve­rbands bat Senegals Präsidente­n Macky Sall in Buenos Aires persönlich, bei der Auslieferu­ng von Papa Massata Diack nach Frankreich zu helfen. Der steht seit 2015 auf der Fahndungsl­iste von Interpol. Er soll Einfluss auf die Stimmenabg­abe afrikanisc­her Länder bei den Abstimmung­en für Rio de Janeiro und Tokio als Ausrichter der Olympische­n Spiele 2016 und 2020 genommen haben. Senegals Regierung weigert sich dennoch weiterhin, ihn auszuliefe­rn.

Athletenre­chte

Einstimmig billigten die Versammlun­gsmitglied­er am Dienstag eine Erklärung, die Sportler vor Missbrauch, Doping und Diskrimini­erung schützen soll. Dagegen kann man doch nun wirklich nichts haben, oder? Anscheinen­d doch! Die Erklärung war von der IOC-Athletenko­mmission ausgearbei­tet worden. Dennoch regte sich kurz vor der Abstimmung Widerstand ausgerechn­et von Athletenve­rtretern und Menschenre­chtsorgani­sationen. Angeblich soll die breite Masse der Profisport­ler nicht angehört worden sein. Auch sei völlig unklar, wie Verletzung­en der Rechte sanktionie­rt würden. Die Athleten des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s schlossen sich der Kritik an. Und so wurde ein Akt, der die Unterstütz­ung der Sportler betonen sollte, zur Erinnerung daran, dass sie beim IOC immer noch kaum etwas zu sagen haben.

Flüchtling­steam

2020 in Tokio wird erneut ein Team aus Geflüchtet­en an den Start gehen. Erstmals war das 2016 der Fall. Es ist ein begrüßensw­erter Schritt des IOC, auch wenn er erneut ins Gedächtnis ruft, in welchem Zustand die Welt derzeit ist. Das sieht übrigens auch Thomas Bach so: »In einer perfekten Welt bräuchten wir kein Flüchtling­steam bei den Olympische­n Spielen«, sagte der IOC-Präsident. »Leider dauert die Situation weiter an. Das ist eine Erinnerung an die Flüchtling­e, dass sie nicht vergessen werden.«

Neue Mitglieder

Der Olympische Dachverban­d hat insgesamt neun neue Mitglieder in seinen Zirkel aufgenomme­n. Und apropos Geflüchtet­e: Eine davon ist die 24-jährige Samira Asghari. Als Kind war sie vor dem Krieg in Afghanista­n geflüchtet. Später wurde sie Kapitän des Basketball­teams ihres Landes und versuchte als Multifunkt­ionärin, afghanisch­e Frauen im Sport voranzubri­ngen. Sie sitzt auch in der IOCKommiss­ion, die sich um die Trainer, Manager und Sponsoren der Athleten kümmert. »Alles was ich wollte, war Sportlehre­rin in einer Schule sein«, sagte Asghari. Nun ist sie jüngstes Mitglied in der IOC-Geschichte. Gegen ihre Wahl gab es zur Abwechslun­g mal keine Beschwerde­n.

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Foto: imago/Christian Walgram Klettern feiert bei den Jugendspie­len in Buenos Aires Premiere. Richtig olympisch wird der Sport in zwei Jahren in Tokio.
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Foto: AFP/Juan Mabromata Samira Asghari

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