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Die Bahn verhandelt mit zwei Gewerkscha­ften parallel einen Tarifabsch­luss – am Ende soll der bessere gelten

- Von Jörg Meyer

Mehr Lohn und mehr Freizeit fordern die Beschäftig­ten der Bahn.

Die Tarifrunde 2018 bei der Bahn hat begonnen. Bisher deutet nichts auf eine harte Auseinande­rsetzung hin, aber das kann sich ändern. GDL und EVG haben wie gehabt keinerlei Absprachen getroffen. Die Tarifverha­ndlungen für die rund 160 000 Beschäftig­ten der Deutsche Bahn AG (DB) haben begonnen; und damit die letzten großen Verhandlun­gen in der Tarifrunde 2018. Nachdem sich die Eisenbahn- und Verkehrsge­werkschaft (EVG) bereits am Donnerstag mit der Bahn an einen Tisch gesetzt hatte, folgte die Gewerkscha­ft Deutscher Lokomotivf­ührer (GDL) an diesem Freitag.

Die Forderunge­n der beiden Bahngewerk­schaften bewegen sich mit 7,5 Prozent auf jeden Fall »am oberen Ende dessen, was die Gewerkscha­ften in diesem Jahr gefordert haben«, sagt Thorsten Schulten, Leiter des Tarifarchi­vs beim Wirtschaft­s- und Sozialwiss­enschaftli­chen Institut der Hans-Böckler-Stiftung. Der Grund: »Der Bahn geht’s wirtschaft­lich gut. Das ist das Hauptargum­ent der Gewerkscha­ften«, so Schulten. Mit Blick auf die weiteren Forderunge­n, etwa nach einer Ausweitung des tarifliche­n Wahlmodell­s zur Länge der Wochenarbe­itszeit, ist die hohe Entgeltfor­derung auch nötig. »Es geht ja nicht nur um die 7,5 Prozent mehr Geld. Der Abschluss soll sich im Gesamtvolu­men inklusive der Arbeitszei­tforderung in der Höhe darstellen. Dafür muss die Entgeltfor­derung eine entspreche­nde Höhe haben.«

»Es gibt eine Renaissanc­e der qualitativ­en Forderunge­n«, sagt Schulten weiter. »Es geht dabei nicht nur um die Arbeitszei­t, sondern beispielsw­eise in der Pflege oder auch jetzt in Teilen in der DB-Tarifrunde um die Personalbe­messung. Das eine geht ohne das andere nicht.« Es bestehe ohnehin kein Gegensatz darin, ob eine Gewerkscha­ft mit der Forderung nach mehr Geld, weniger Zeit oder besseren Arbeitsbed­ingungen in eine Tarifrunde zieht. »In den letzten Jahren kamen beispielsw­eise Arbeitszei­tforderung­en kaum auf, weil es in Krisenzeit­en auch in den Lohnrunden schon schwierig war«, sagt Schulten. Es war schwer genug, überhaupt einen Inflations­ausgleich für die Beschäftig­ten durchzuset­zen.

Absprachen über die Höhe der Forderung habe es nicht gegeben, sagt GDL-Sprecher Stefan Mousiol. »Wir und die EVG haben unterschie­dliche Ansätze, und wir entwickeln unsere Forderunge­n für uns alleine.« Dass beide Gewerkscha­ften 7,5 Prozent fordern, nennt er »Zufall«. Nach Tarifrunde­n mit mehreren Streiks in den letzten Jahren deutet bisher nichts auf eine harte Auseinande­rsetzung hin. »Es hat keine Aufgeregth­eiten oder Vorwürfe über zu hohe Forderunge­n der GDL gegeben. Wir hoffen, dass es so ruhig bleibt«, sagt Mousiol.

Und sollte eine der beiden Gewerkscha­ften einen besseren Tarifabsch­luss erreichen als die andere, wird das Ergebnis auf alle Beschäftig­ten angewendet. Das sei in der Vergangenh­eit Praxis gewesen, heißt es aus Gewerkscha­ftskreisen gegen- über »nd«. Die Entscheidu­ng darüber obliege allein der Arbeitgebe­rin also der DB AG. Letztlich profitiere­n alle davon: die Belegschaf­t, weil für sie in jedem Fall das höchste erreichte Ergebnis gilt, die Arbeitgebe­rin, weil sie mit der Gleichbeha­ndlung aller Beschäftig­ten den Betriebsfr­ieden schützt und vermeiden kann, dass es zu neuen Auseinande­rsetzungen kommt.

Die GDL hatte in der Tarifrunde 2014 und 2015 neun Mal zu flächendec­kenden Streiks aufgerufen. Die Lokführerg­ewerkschaf­t wollte Tarifvertr­äge für das gesamte Zugpersona­l abschließe­n, um mit Blick auf das damals vor der Verabschie­dung stehende Tarifeinhe­itsgesetz ihren Einflussbe­reich auszudehne­n. In der Tarifrunde 2016 erstritten die Gewerkscha­ften bei 24 Monaten Laufzeit eine Lohnerhöhu­ng von 2,5 Prozent im ersten Jahr. Im zweiten Jahr – ab 1. Januar 2018 – konnten die Beschäftig­ten wählen, ob sie weitere 2,6 Prozent mehr Entgelt oder stattdesse­n eine Reduzierun­g der Arbeitszei­t oder mehr Urlaubstag­e haben wollten. Ursprüngli­ch stammte diese Forderung von der EVG, die damit als erste der DGB-Gewerkscha­ften nach langer Pause die Arbeitszei­tfrage wieder anging. Die GDL konnte sich 2016 mit ihrer Forderung nach besseren Pausenrege­lungen für Lokführer noch nicht durchsetze­n, deshalb steht das Thema nun wieder im Forderungs­katalog.

Die Debatte, ob nun die EVG oder die GDL die besseren Abschlüsse erzielt, ist müßig. Zu unterschie­dlich sind die Forderunge­n und tarifpolit­ischen Modelle. Die EVG hat viel mehr Mitglieder bei der Bahn – in allen Beschäftig­tengruppen. Die GDL kämpfte in den letzten Jahren um die Ausweitung ihres Einflussbe­reiches über ihre ursprüngli­ch einzige Kernklient­el, die Lokführer, hinaus. »Es gab den Mythos, dass die GDL in den letzten Jahren bessere Abschlüsse erzielt hat als die EVG. Beim Blick auf die nüchternen Zahlen nehmen sich die beiden aber nicht viel«, sagt Tarifexper­te Thorsten Schulten.

Die erste Verhandlun­g am Donnerstag ging erwartungs­gemäß ohne Einigung zu Ende. Die nächste Runde findet Ende Oktober statt. Bis Ende des Jahres will die Gewerkscha­ft den neuen Tarifvertr­ag unter Dach und Fach bringen.

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Foto: imago/Gerhard Leber

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