»Unsere Arbeit ist schwerer geworden«
Der Vorsitzende von »UnserVeto« über das Spannungsfeld zwischen engagierter Zivilgesellschaft und restriktiver Flüchtlingspolitik in Bayern
Sie sind Vorsitzender des Bayerischen Landesverbandes von »UnserVeto« und als Flüchtlingshelfer aktiv. Wie ist zurzeit in Bayern die Lage für ehrenamtliche Flüchtlingshelfer?
Sehr unterschiedlich. Einerseits sind in Bayern die ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer besonders aktiv. Vielleicht ist bei uns der Druck auch am größten. Wir haben eine sehr aktive Zivilgesellschaft, das sieht man ja auch an den jüngsten Großdemonstrationen mit bis zu 50 000 Menschen. Auf der anderen Seite haben wir natürlich besondere Probleme, weil die Flüchtlingspolitik besonders restriktiv ist.
Was bedeutet das für Ihre Arbeit? Die Helferkreise haben zunehmend Schwierigkeiten, Mitglieder zu finden. Auf dem Land sind uns fast die Initiativen ausgegangen, weil immer mehr Helfer gesehen haben, es reicht nicht, vor Ort gute Arbeit zu machen, man muss politisch werden. Und das ist auch das Grundkonzept von »UnserVeto«, wir wollen den Flüchtlingshelfern eine Stimme geben.
Und klappt das? In den Sonntagsreden werden die Helfer und das ehrenamtliche Engagement immer sehr gelobt. Trotzdem ist es nicht so, dass die Politiker auf uns zukommen, sondern die Politik ignoriert uns eigentlich.
Werden Sie denn von der bayerischen Landespolitik wahrgenommen?
In den Kommunen ist die Zusammenarbeit häufig sehr gut, weil die Bürgermeister und Stadträte sehen, dass es ohne uns nicht geht. Je weiter man geht, desto schlechter ist die Zusammenarbeit. Beim Integrationsgesetz beispielsweise könnte man ja auf die
Idee kommen, auch die Flüchtlingshelfer zu fragen, die ja tagtäglich mit solchen Problemen zu tun haben – das geschieht jedoch nicht.
Wie steht es um die Integrationspolitik in Bayern?
Wir haben mehrere große Probleme. Das erste ist natürlich die Wohnungssuche. Schon Hartz-IV-Empfänger haben es sehr schwer, für Asylbewerber ist es kaum möglich, eine Wohnung zu finden. Das zweite Problem, und da spielt Bayern eine Sonderrolle, sind die Arbeitserlaubnisse. Die werden bei uns restriktiver gehandhabt als in anderen Bundesländern. Die Menschen wer- den zum Nichtstun gezwungen, das ist ein Skandal. Das Problem ist nicht, Arbeitsplätze zu finden. Wir haben viele Bäcker, Pflegeeinrichtungen, Handwerksbetriebe, die dringend suchen und Asylbewerber einstellen würden. Die kriegen jedoch keine Arbeitserlaubnisse.
Und dann gibt es da noch die sogenannten Ankerzentren.
Problem Nummer drei sind jetzt die Ankerzentren, wo ja Bayern Vorreiter ist. Was wir erfahren ist, dass der Schulbesuch kaum praktiziert wird, der Zugang zur medizinischen Versorgung schlecht ist, es keine unabhängige rechtliche Beratung gibt. Aber wir Helfer haben kaum Zugang.
Die Politik der CSU trägt also nicht gerade zur Integration bei?
Nein, eindeutig nicht. Also das erschwert die Arbeit. Integration hat viel damit zu tun, dass ich eine Wohnung und Arbeit finde.
Was würden Sie sich von der Landesregierung wünschen?
Ein wichtiger Punkt ist das individuelle Asylrecht. Die Unterteilung in gute oder schlechte Bleibeperspektive ist absolut unsinnig. Jeder, der hier lebt, muss die Möglichkeit haben, zu arbeiten. Die Wohnungsproblematik ist nur langfristig zu lösen, aber bei den Arbeitserlaubnissen und der dezentralen Unterbringung von Asylbewerbern, kann man sofort etwas ändern.
Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf die Wahl am Sonntag?
Wir hoffen natürlich, dass sich hier etwas positiv ändert. Ich denke, dass die schlechten Prognosen für die CSU auch damit zusammenhängen, dass ihre rigide Flüchtlingspolitik von vielen nicht mehr unterstützt wird. Wir haben viele Helfer mit christlichem Hintergrund, die sich damit enorm schwertun. Auch mit der Wortwahl hier in Bayern, wo versucht wird, in der Öffentlichkeit ein negatives Bild von Flüchtlingshelfern herzustellen.
In Ihrem Landesverband sind sehr unterschiedliche politische Strömungen vertreten. Wie wird dort die Politik der CSU beurteilt?
Es gibt in Bayern erhebliche Unterschiede. Wir haben Landkreise, wo die Landräte, auch CSU-Landräte, versuchen, wo immer der Spielraum da ist, Arbeitserlaubnisse zu geben. Wir ha- ben aber auch Landkreise, wo es kaum Arbeitsmöglichkeiten gibt. Auch die CSU ist hier sehr uneinheitlich.
Wie nehmen Sie das gesellschaftliche Klima zurzeit in Bayern wahr? Extrem gespalten. Auch wir haben die Auseinandersetzung mit der AfD, insofern ist es schon schwieriger geworden. Die positive Grundstimmung, die wir 2015/16 noch hatten, ist in vielen Bevölkerungskreisen schlechter geworden.
Und das bekommen auch die Flüchtlingshelfer zu spüren?
Ja, unsere Arbeit ist schwerer geworden. Wir werden immer weniger, auch weil wir uns nicht vorstellen konnten, dass wir so lange tätig sein müssen. Wir dachten, wir lösen die Anfangsprobleme und dann übernimmt der Staat. Das hat sich leider nicht bewahrheitet. Und das geht natürlich an die Substanz.
Zuletzt sind in Bayern Zehntausende gegen Rassismus und gegen die Politik der CSU auf die Straße gegangen. Macht Ihnen das Mut?
Das macht uns Mut. Diese Demonstrationen zeigen, dass ein Großteil der Bevölkerung das Ganze unterstützt.