nd.DerTag

Gute Bürgerin

- Von Ines Wallrodt

Die SPD nominiert die Schriftste­llerin Juli Zeh in Brandenbur­g als Verfassung­srichterin und man kommt nicht umhin zu denken, ja natürlich, sie ist die perfekte Kandidatin – aktive Grundrecht­sverteidig­erin, promoviert­e Volljurist­in und dann auch noch Sozialdemo­kratin. »Raushalten«, das Lebensmott­o einer ihrer Romanfigur­en, ist für die 44-Jährige weder möglich noch reizvoll. Sie mischt sich gern ein in Debatten, ist eine scharfe Kritikerin staatliche­r Überwachun­g, erwartet aber auch von den Bürgern Engagement. Das ist manchmal nah dran an der neoliberal­en Behauptung »Jeder ist seines Glückes Schmied», im Kern vertritt sie aber entschiede­ner als viele Politiker das Grundwesen einer demokratis­chen Gesellscha­ft.

Juli Zeh wird gern gefragt für Gastbeiträ­ge oder Interviews, besucht aber nicht nur Talkshows, sondern auch Sitzungen des Gemeindera­tes in ihrem Dorf im Havelland, wo die gebürtige Bonnerin seit mehreren Jahren mit Mann und zwei Kindern lebt. Dieses Interesse an Mitgestalt­ung gehört zu ihrem »altmodisch­en Menschenbi­ld« vom mündigen Bürger der Aufklärung.

1998 hatte sie das beste juristisch­e Staatsexam­en Sachsens, gegen die Anti-Terrorgese­tze von Bundesinne­nminister Otto Schily (SPD) legte sie Verfassung­sbeschwerd­e ein, genauso wie gegen den biometrisc­hen Reisepass. Nun darf sie selbst über Verfassung­sfragen richten. Sie wird das gut machen, das beweisen sogar ihre fiktionale­n Texte wie etwa der vielschich­tige Roman »Unterleute­n«, der in der Brandenbur­ger Provinz spielt, und in dem sie ein feines Gespür beweist für die Dynamiken von Konflikten.

In ihrem Jurastudiu­m habe sie irgendwann erkannt, das sagte Juli Zeh einmal dieser Zeitung, dass es auch bei juristisch­en Entscheidu­ngen nicht um die bloße Anwendung von klaren Regeln geht, sondern am Ende immer Prinzipien und Moralvorst­ellungen eine Rolle spielen. Selten war bei einem künftigen Verfassung­srichter vorher so transparen­t, welche das sein werden. Die Grundrecht­e liegen bei Juli Zeh in guten Händen. Dass man sich darauf verlässt, würde sie jedoch nicht wollen.

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Foto: imago/Metodi Popow Noch ein Etikett mehr für Juli Zeh: Verfassung­srichterin in Brandenbur­g.

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