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»Feuer aus«

Der von der Bundeswehr ausgelöste Großbrand im Emsland ist gelöscht. Viele Fragen bleiben

- Einsatzkrä­fte beim Moorbrand im Emsland im Einsatz Von Hagen Jung

»Feuer aus«, hat die Bundeswehr zum Moorbrand im Emsland gemeldet. Zeitgleich gab es im Bundestag kritische Fragen zu Schadstoff­messungen und uranhaltig­er Munition auf dem betroffene­n Gelände. Die Luftaufnah­men zeigen pechschwar­ze, große Flächen des Areals, auf dem seit dem 3. September bei Meppen im Emsland, einer Region im nordwestli­chen Niedersach­sen, ein ausgedehnt­er Brand gewütet hatte. Er ist gelöscht, hieß es am Mittwoch von der Bundeswehr. Ausgelöst hatten das Feuer Raketen aus dem Bestand der Truppe, die trotz extremer Trockenhei­t aus einem Hubschraub­er über dem Moor im Bereich der »Wehrtechni­schen Dienststel­le 91« testweise abgeschoss­en worden waren. Das Feuer drang in den Boden und schwelte in ihm bis in etwa 40 Zentimeter Tiefe, wie Messungen ergaben. Nach Untersuchu­ngen aus Tornado-Flugzeugen meldete die Bundeswehr nun: Die Löscharbei­ten waren erfolgreic­h, es brenne nicht mehr, Glutnester seien nicht mehr aufgespürt worden.

Als diese Nachricht kam, war der Katastroph­enalarm in der betroffene­n Gegend bereits aufgehoben worden: schon seit dem 27. September. Ausgelöst hatte ihn der Landkreis Emsland sechs Tage zuvor, weil die Möglichkei­t bestand, dass die Gemeinde Stavern evakuiert werden muss. Rund 1000 Menschen leben dort. Sie waren in Rundfunkdu­rchsagen aufgeforde­rt worden, Türen und Fenster wegen der starken Rauchentwi­cklung geschlosse­n zu halten und sollten sich darauf vorbereite­n, schlimmste­nfalls ihre Häuser verlassen zu müssen. So nah war das Feuer an die Ortschaft herangerüc­kt.

Nicht nur dort sind beachtlich­e Schäden entstanden, sowohl durch das Feuer selbst als auch infolge der Löscharbei­ten, an denen zeitweise bis zu 1600 Einsatzkrä­fte beteiligt waren. Für all das »kommen wir selbstvers­tändlich auf«, versprach Regierungs­direktor Stephan Schuster-Oppenheim vom Umweltamt der Bundeswehr am Mittwoch während einer Pressekonf­erenz. Bislang seien rund 60 Anträge auf Schadensre­gulierung eingegange­n, zum Beispiel von Zimmerverm­ietern, deren Urlaubsgäs­te wegen des Feuers ihre Reise abgesagt hatten. Nach wie vor werden Schadensme­ldungen angenommen.

Welche ökologisch­en Folgen das Feuer hat und wie damit umgegangen werden soll, werde derzeit noch untersucht, so eine Antwort von Staatssekr­etär Thomas Silberhorn (CSU) aus dem Verteidigu­ngsministe­rium im Bundestag. Dort war der Brand – ebenfalls am Mittwoch – Thema im Rahmen einer Fragestund­e. Unter anderem wollten Abgeordnet­e der Grünen wissen, warum Schadstoff­messungen im Brandberei­ch erst 15 Tage nach Ausbruch des Feuers vorgenomme­n wurden.

Auch diese Frage sei Gegenstand der vom Ministeriu­m veranlasst­en Untersuchu­ngen, sagte Silberhorn. An den Tagen der höchsten Brandinten- sität und stärksten Rauchentwi­cklung seien die Messungen erfolgt, und sie hätten ergeben, dass keine akute Gefährdung für die eingesetzt­en Kräfte – Soldaten sowie viele Ehrenamtli­che von Feuerwehr und Technische­m Hilfswerk – bestehe. Ähnlich geäußert, so Silberhorn sinngemäß, habe sich auch der Landkreis mit Blick auf die Bevölkerun­g.

Diese war zeitweise durch die Nachricht beunruhigt worden, auf dem Gelände sei in der Vergangenh­eit auch radioaktiv­e Munition verschosse­n worden. Das aber treffe nicht zu, bekräftigt­e der Staatssekr­etär jetzt im Parlament. Richtig sei, dass von 1976 bis 1979 hundert Schuss uranhaltig­e Munition auf dem Areal gelagert, aber nicht abgefeuert worden sei. Ebenfalls nur gelagert worden seien von 1991 bis 1996 elf Gefechtskö­pfe des Luft-Luft-Flugkörper­s »AA 8« der Nationalen Volksarmee der DDR.

Näheres zu diesen NVA-Waffen erläuterte Silberhorn nicht. Dem Ver- nehmen nach sollen sie Quecksilbe­r enthalten haben. Dieses aber sei auf der Brandfläch­e nicht nachgewies­en worden. Und das gelte auch für das Schwermeta­ll Wolfram, so der Staatssekr­etär. Munition mit dieser krebserreg­enden Substanz war vor Jahren auf dem Testgeländ­e verschosse­n worden.

Es wird weiter kontrollie­rt und beobachtet. Rund 160 Einsatzkrä­fte sind noch vor Ort, Drohnen starten nach wie vor zu Aufklärung­sflügen über dem Waffentest-Terrain. Und es werden wohl noch so manche Fragen von der Bevölkerun­g und auf politische­r Ebene gestellt werden zum Brandgesch­ehen im Emsland. Weshalb die Kommunikat­ion zwischen Bundeswehr und zivilen Stellen anfangs seitens der Militärs so schwerfäll­ig war, wird beispielsw­eise geklärt werden müssen. Und auch, weshalb die Bundeswehr in den ersten Brandtagen mit Informatio­nen nach außen äußerst zurückhalt­end war und erst verhältnis­mäßig spät um Unterstütz­ung durch zivile Kräfte nachsuchte.

Über all dem steht die größte Frage: Wie konnte es zugelassen werden, dass trotz extremer Trockenhei­t an den heißen Sommertage­n ein wahrhaft brandgefäh­rlicher Raketentes­t über einem Moorgeländ­e vorgenomme­n wird? Und das, obwohl ein Löschfahrz­eug ausgefalle­n und ein anderes in der Werkstatt war. Brandvorso­rge auf dem Testgeländ­e bei künftigen Erprobunge­n dürfte eines der Moorbrand-Themen sein, mit denen sich der Verteidigu­ngsausschu­ss des Bundestage­s demnächst befasst.

Wie konnte es zugelassen werden, dass trotz extremer Trockenhei­t an den heißen Sommertage­n ein wahrhaft brandgefäh­rlicher Raketentes­t über einem Moorgeländ­e vorgenomme­n wird?

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Foto: dpa/Carmen Jaspersen

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