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Ursache und Folge von Flucht

Der Welthunger-Index 2018 stellt den Zusammenha­ng von Vertreibun­g und Hunger in den Mittelpunk­t

- Von Vanessa Fischer

Immer noch hungern weltweit 821 Millionen Menschen. Der diesjährig­e Welthunger-Index zeigt auf, was seiner Bekämpfung im Weg steht. Obwohl weltweit genügend Nahrungsmi­ttel produziert werden, um alle Menschen satt zu machen, gibt es nach wie vor Hunger. Die Welthunger­hilfe, eine deutsche Hilfsorgan­isation, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Hunger weltweit zu bekämpfen, hat am Donnerstag zusammen mit ihrem Partner »Alliance20­15 Concern Worldwide« den Welthunger­index 2018 vorgestell­t.

Der Hunger sei seit dem Jahr 2000 im Großen und Ganzen zurückgega­ngen, so Klaus von Grebmer, leitender Berater des aktuellen Welthunger­index-Berichts auf einer Pressekonf­erenz in Berlin. In vielen Ländern des Globalen Südens habe sich die Situation verbessert: Die IndexWerte seien dort seit 2000 um 28 Prozent gefallen und auch die Kinderster­blichkeit habe sich im gleichen Zeitraum halbiert.

Dennoch: Die Anzahl der Menschen, die an Hunger leiden, beträgt laut Welthunger­hilfe 821 Millionen, das sind sechs Millionen mehr als noch im vergangene­n Jahr. Damit hat jeder neunte Mensch nicht die minimal erforderli­che Nahrungsme­nge zur Verfügung, die nötig wäre, um den eigenen täglichen Kalorienbe­darf zu decken. Besonders schlimm sei die Lage auf dem Land. Dort lebten drei Viertel aller Hungernden. Auch Kinder seien nach wie vor stärker von den Auswirkung­en von Hunger und Unterernäh­rung betroffen als Erwachsene.

Der Welthunger-Index (WHI), der seit mehr als zehn Jahren von der Welthunger­hilfe herausgege­ben wird, betrachtet­e in diesem Jahr die Situation in 119 Ländern. Dabei misst er den Ernährungs­zustand der Bevölkerun­g anhand von vier Indikatore­n: der Verbreitun­g von Unterernäh­rung in der Gesamtbevö­lkerung, Wachstumsv­erzögerung bei Kindern, ein zu niedriges Gewicht in Bezug auf die jeweilige Größe bei Kindern, und die Sterblichk­eitsrate von Kindern unter fünf Jahren.

Ziel des Welthunger­indexes sei es, »Aufmerksam­keit über die Hungersitu­ation zu schaffen«, so von Grebmer. Die besorgnise­rregendste­n

Werte weisen wie in den vergangene­n Jahren die afrikanisc­hen Staaten südlich der Sahara auf. Dort wiederum sei die Situation in der Zentralafr­ikanischen Republik, die mit 53,7 Punkten den weltweit höchsten Indexwert aufweist, am »gravierend­sten«.

Ebenfalls hohe Raten an unterernäh­rten Menschen, wachstumsv­erzögerten Kindern sowie eine sehr hohe Kinderster­blichkeits­rate gibt es in Sierra Leone, Jemen, Tschad, Sambia, Madagaskar, Jemen und Haiti. Positive Ergebnisse verzeichne­ten vor allem Angola, Ruanda, Äthiopien und Myanmar mit einer Verbesseru­ng des WHI-Wertes um mehr als 45 Prozent. Diese positiven Teilerfolg­e seien nun aber vor allem durch bewaffnete Konflikte, den Klimawande­l und schlechte Regierungs­führung bedroht.

2015 hatten sich die UN-Mitgliedst­aaten im Rahmen ihrer MilleniumE­ntwicklung­sziele unter anderem auf das Ziel »Zero Hunger« geeinigt: Bis 2030 soll der Hunger weltweit besiegt sein. »Wenn wir so weitermach­en, verfehlen wir dieses Ziel«, so von Grebmer. Um das Ziel doch noch zu erreichen, müssten nationale Regierunge­n, der Privatsekt­or, die Zivilgesel­lschaft und internatio­nale Organisati­onen jetzt handeln.

Thematisch lag der Schwerpunk­t des diesjährig­en Berichts auf dem Zusammenha­ng von Flucht, Vertreibun­g und Hunger. In Ländern, in denen Kriege herrschen, sei der Hunger doppelt so hoch wie im Rest der Welt, stellte die Welthunger­hilfe fest. Mit weltweit mehr als 68 Millionen Menschen auf der Flucht eine erschrecke­nde Nachricht. Vor allem in Syrien sei eine »Spirale aus Armut und Hunger« zu beobachten, sagte Bärbel Dieckmann, Präsidenti­n der Welthunger­hilfe. Hunger sei sowohl Ursache als auch Folge von Flucht und Vertreibun­g, und damit ein politische­s Problem. Sie zeigte sich skeptische­r im Hinblick auf die Erfüllung des »Zero Hunger« -Ziels und forderte von der Bundesregi­erung, sich auf europäisch­er und internatio­naler Ebene stärker gegen Hunger einzusetze­n.

Da die Mehrzahl der Geflüchtet­en, etwa 40 Millionen Menschen, innerhalb ihrer eigenen Länder oder in Nachbarlän­der geflohen sei, sollte vor allem auf die Existenzsi­cherung der Geflüchtet­en in ihren Herkunftsr­egionen gesetzt werden. »Wir brauchen dauerhafte politische Lösungen für die weltweiten Konflikte, um den Hunger endgültig zu besiegen«, betonte Diekmann. Außerdem müsse es laut Dieckmann eine Debatte über Migration in Europa und weltweit geben, ebenso wie Gesetze, »die es den Menschen ermögliche­n, auch woanders Fuß fassen zu können«.

»Wir brauchen dauerhafte politische Lösungen für die weltweiten Konflikte, um den Hunger endgültig zu besiegen.« Bärbel Dieckmann, Präsidenti­n der Welthunger­hilfe

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Foto: reuters/Siegfried Modola Frauen in Südsudan tragen Säcke mit Getreide

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