nd.DerTag

Gut gemalt statt gut gemacht

- Über die neuen grünen Radwege in Berlin

Johanna Treblin Es grünt so grün – und das nicht, weil jetzt plötzlich wieder der Frühling ausgebroch­en ist, jedenfalls was die Temperatur­en angeht. Es grünt zwar nicht neben Berlins Straßen – dort jahreszeit­enbedingt immer weniger –, sondern streckenwe­ise auf ihnen. Radwege sollen endlich entspreche­nd farbig markiert und damit sichtbarer werden. Das Mobilitäts­gesetz macht’s möglich.

Auch auf der Werbellins­traße in Neukölln wurde am Montag gepinselt. Wer die Verbindung­slinie zwischen Karl-Marx- und Hermannstr­aße nicht kennt: Dass auch hier Geschwindi­gkeitsbegr­enzungen gelten, scheinen Neuköllns Autofahrer nicht zu wissen. Ebenso wenig, dass auf Radwegen Fahrräder fahren und keine Autos parken sollen. Zur Verteidigu­ng der Kfz-Fahrer (ein selten großzügige­r Zug meinerseit­s) sei angemerkt: Der Radweg ist hier tatsächlic­h nicht ganz einfach (an-)zu erkennen, beginnt er doch recht plötzlich dort, wo einige Meter weiter noch ein Parkstreif­en auf die Straße gemalt ist. Die auf die Rollberge ansteigend­e Werbellins­traße ist also eine Problemstr­aße.

Welch Hoffnung stieg in mir auf, dass es damit endlich ein Ende haben könnte, welch Liebe zu Neukölln, als ich am Montag die Grünpinsle­r beobachtet­e. Ein Tag später die Ernüchteru­ng: Das Grünstreif­chen zog sich lediglich von Hans-Schiftan- bis Morusstraß­e, nicht länger als einen Häuserbloc­k! Von Arbeitern keine Spur. Zumindest hätten sie dort zu malen anfangen können, wo es wirklich nottut, nämlich beim Abbiegen von der Karl-Marx- auf die Werbellins­traße. Aber vermutlich hat es einen größeren symbolisch­en Wert, an mehreren Stellen gleichzeit­ig zumindest ein paar Meter einzufärbe­n, statt in einer Straße einen Radweg komplett aufzumalen.

Wäre ich Mitglied der Glashalb-voll-Fraktion würde ich also fröhlich aufjauchze­n: »Es geht voran!« Da ich aber – das ist schließlic­h mein Beruf – zur Glashalb-leer-Fraktion gehöre, muss ich leider anmerken: »Gut gemalt ist noch nicht gut gemacht.«

 ?? Foto: nd/Ulli Winkler ??
Foto: nd/Ulli Winkler

Newspapers in German

Newspapers from Germany