nd.DerTag

Aktivisten planen schon mal vor

Bis Juli 2019 muss der Entwurf des künftigen Radwegenet­zes vorliegen

- Von Nicolas Šustr

Damit wenigstens die grundsätzl­ichen Planungen für die Berliner Fahrradzuk­unft im Zeitplan vorgelegt werden, haben Umwelt- und Radaktivis­ten einen Netzentwur­f ausgearbei­tet. »Mit unserem Entwurf für ein Radverkehr­snetz der Zukunft erschließe­n wir die Stadt flächendec­kend«, sagt Jens Steckel vom Verein Changing Cities, der aus dem Radentsche­id hervorgega­ngen ist. Gemeinsam mit dem Fahrradclu­b ADFC Berlin, dem alternativ­en Mobilitäts­club VCD Nordost sowie dem Umweltverb­and BUND Berlin wurde vor allem von Ehrenamtli­chen in den vergangene­n zehn Monaten ganze Arbeit geleistet. Rund 30 Aktivisten aus allen Bezirken außer Spandau haben auf Basis der Vorgaben des im Juli in Kraft getretenen Mobilitäts­gesetzes die verschiede­nen Ebenen des künftigen Radwegenet­zes ausgearbei­tet.

Denn entspreche­nd dem Gesetz muss die Senatsverk­ehrsverwal­tung bis Juli 2019 einen Entwurf vorlegen, der Radschnell­verbindung­en enthält, ein Vorrangnet­z für Radler mit Vorfahrt vor dem motorisier­ten Individual­verkehr, sichere und ausreichen­d breite Radwege an Hauptstraß­en sowie Fahrradstr­aßen. Dem entspreche­nden Planungsbü­ro, das dieses Netz ausarbeite­n soll, werden nur wenige Monate bleiben, da das Vergabever­fahren erst läuft.

Dementspre­chend haben die Aktivisten – wie so oft bei dem Thema – bereits vorgearbei­tet. »Wir haben eine ziemlich solide Erfahrungs­grundlage in den Bezirken«, erklärt Heiner von Marschall, Vorsitzend­er des VCD Nordost. Vor allem die aus dem Radentsche­id hervorgega­ngenen fahrradfre­undlichen Bezirksnet­zwerke hatten hier das Sagen.

Da es schon einen Entwurf der Verkehrsve­rwaltung für die Radschnell­wege gibt, haben sich die Ehrenamtli­chen auf das sogenannte Vorrangnet­z konzentrie­rt. Dafür haben sie rund 1000 Kilometer Routen entwickelt. Dazu gehören laut Gesetz besonders wichtige Verbindung­en von stadtweite­r Bedeutung. Für schnelles Vorankomme­n sollen unter anderem auf Fahrradges­chwindigke­it optimierte Ampelschal­tungen sorgen. Wo es sich anbot, wurden diese Strecken jenseits des rund 1600 Kilometer langen Hauptstraß­ennetzes angelegt.

Ein Beispiel dafür ist die Ost-WestVerbin­dung im Zuge der B1/B5. Wäh- rend die Vorrangrou­te vom Stadtrand kommend zunächst direkt auf der Magistrale verläuft, soll sie stadteinwä­rts hinter dem S-Bahnhof Frankfurte­r Allee leicht nördlich über Rigaer Straße, Weidenweg und Palisadens­traße zur Mollstraße führen, um schließlic­h auf die bereits als Fahrradstr­aße etablierte Linienstra­ße zu schwenken. Jens Steckel, Changing Cities

Von Marschall hält die parallel zur Torstraße führende Straße für ein gutes Beispiel, wie attraktive Infrastruk­tur funktionie­rt. »Sie sehen kaum Radverkehr in den parallel führenden Straßen.« Das Netzwerk fahrradfre­undliche Mitte hat auch für diese Fahrradstr­aße bereits ein Konzept ausgearbei­tet, um echten Vorrang zu gewährleis­ten.

Jenseits der Hauptstraß­en nach Vorrangrou­ten zu suchen, hat einige Vorteile. Einerseits lässt sich die Vor- fahrt für Zweiräder meist mit wesentlich weniger Prioritäte­nkonflikte­n realisiere­n. Anderersei­ts ist der bauliche Aufwand wesentlich geringer. Am Straßenque­rschnitt mit Bäumen, Masten, Bordsteine­n und zahlreiche­n unterirdis­chen Leitungen muss meist nichts geändert werden. Für die Nebenstraß­en haben die Aktivisten weitere 2000 Kilometer Fahrradnet­z ausgearbei­tet.

»Wir erwarten, dass der Ausschreib­ungsgewinn­er zügig mit uns Kontakt aufnimmt«, sagt von Marschall. »Wir sehen unseren Entwurf als systematis­che Arbeitsgru­ndlage«, erklärt Jens Steckel von Changing Cities. Er fordert mehr Transparen­z nicht nur bei der Planung, sondern auch bei der Umsetzung. Der Projektsta­nd sei von außen »schwer nachzuvoll­ziehen«. Vor allem müssten Ergebnisse des Radgesetze­s schnell auf der Straße zu sehen sein. »Wenn es im gegenwärti­gen Tempo weitergeht, dann dauert das noch 100 Jahre«, befürchtet er.

Diese Sorge ist nicht von der Hand zu weisen. Von 89 Radwegvorh­aben, für die die Bezirke 2017 vom Senat Geld bewilligt bekommen hatten, sind bisher zehn realisiert, wie die Antwort auf eine Schriftlic­he Anfrage des LINKE-Abgeordnet­en Wolfgang Albers zeigt.

»Mit unserem Entwurf für ein Radverkehr­snetz der Zukunft erschließe­n wir die Stadt flächendec­kend.«

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Foto: nd/Nicolas Šustr Ein paar hundert Meter geschützte­r Radstreife­n auf der Holzmarkts­traße hätten im September fertig sein sollen. Die Arbeiten laufen noch.

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