nd.DerTag

Ein Toter und der Ruf nach Elektropis­tolen

Schleswig-Holsteins Polizei fordert Test von Tasern

- Von Dieter Hanisch, Bad Oldesloe

Wenige Tage nach den tödlichen Schüssen eines Polizeibea­mten auf einen Obdachlose­n in Bad Oldesloe gibt es in Schleswig-Holstein eine heftige Diskussion über die Ausstattun­g der Polizei mit Elektropis­tolen. Dafür müsste das Land aber sein Polizeiges­etz ändern.

Am vergangene­n Sonntag ist bei einem Polizeiein­satz ein 21Jähriger nach zwei Schüssen aus kurzer Distanz in den Oberkörper verblutet. Die Polizei war von Passanten gerufen worden, als der stadtbekan­nte drogensüch­tige und psychisch kranke Mann mit einem Messer gesehen wurde. Nach Polizeiang­aben hat das Opfer nicht auf die Forderung reagiert, das Messer abzulegen. Als er sich auch nach einem Warnschuss und dem Einsatz von Pfefferspr­ay aggressiv auf einen der Beamten zubewegte, habe dieser mit seiner Dienstwaff­e auf den Mann gezielt und geschossen. Ob es sich um Notwehr handelte, wie es in der Polizeidar­stellung heißt, untersucht die Lübecker Staatsanwa­ltschaft. Diese prüft auch, ob sich die Einsatzbea­mten vor Ort womöglich wegen unterlasse­ner Hilfeleist­ung strafbar gemacht haben.

»Es ist zynisch, solch einen Vorfall für eine Diskussion zur Aufrüstung der Polizei zu missbrauch­en.«

Lorenz Gösta Beutin, LINKE-Landesspre­cher

Nach Angaben des Landespoli­zeiamtes wurden in SchleswigH­olstein seit 2014 insgesamt 13 Schüsse aus Polizeiwaf­fen auf Menschen abgegeben. Dabei gab es fünf Verletzte und zwei Tote. Den aktuellen Vorfall in Bad Oldesloe nahmen die Gewerkscha­ft der Polizei und die Deutsche Polizeigew­erkschaft zum Anlass, an ihre Forderung zu erinnern, die Polizeiaus­rüstung um Elektrosch­ockpistole­n zu ergänzen. Mit den sogenannte­n Tasern können aus kurzer Entfernung 50 000-Volt-Pfeile abgefeuert werden, die einen Menschen für kurze Zeit kampfunfäh­ig machen. Beide Polizeigew­erkschafte­n wünschen sich eine Erprobungs­phase zumindest für die Beamten des SEK und des MEK, um eine Alternativ­e zum Schusswaff­engebrauch zu haben.

Diese Elektrowaf­fe ist jedoch nicht unumstritt­en, da sie beim Getroffene­n unter Umständen Herzrhythm­usstörunge­n oder eine dauerhafte Schädigung des Nervensyst­ems verursache­n können. Aber auch Sturzverle­tzungen können nach dem Beschuss mit einem Impulsstra­hl die Folge sein. Amnesty Internatio­nal lehnt Taser auch aufgrund internatio­naler Erfahrunge­n ab.

CDU und FDP, die in Kiel zusammen mit den Grünen regieren, sprechen sich für einen Probelauf aus. Die polizeipol­itische Sprecherin der SPD-Landtagsfr­aktion, Kathrin Wagner-Bockey, ist in Sachen Taser hingegen skeptisch. Sie weiß als Kriminalpo­lizeihaupt­kommissari­n, wovon sie spricht: »Die Geräte taugen in meinen Augen nur sehr bedingt als mildestes Mittel gegen einen Messerangr­iff.« Für den Landesspre­cher der Linksparte­i, Lorenz Gösta Beutin, verbietet der traurige Tod eines Menschen eine Debatte über das polizeilic­he Waffenarse­nal. »Es ist zynisch, solch einen Vorfall für eine Diskussion zur Aufrüstung der Polizei zu missbrauch­en.«

Die nordrhein-westfälisc­he Landesregi­erung hat gerade erst den gesetzlich­en Rahmen für eine Taser-Testphase geschaffen. In Hamburg beispielsw­eise existiert ein solcher Rahmen bereits seit dem Jahr 2005.

Newspapers in German

Newspapers from Germany