Sachsens Wölfe werden Chefsache
Nach dem Fund Dutzender toter Schafe wird geprüft, ob die Raubtiere abgeschossen werden
Im Osten Sachsens haben Wölfe in der Nacht zum Dienstag mindestens 43 Schafe und Ziegen getötet. Möglichkeiten für einen Abschuss von Wölfen gibt es, doch die Hürden liegen hoch.
Görlitz. Der verheerende Wolfsangriff in Ostsachsen wird möglicherweise nicht folgenlos bleiben. Das Landratsamt Görlitz prüft den Abschuss von Tieren. Allerdings sei wegen des umfassenden Prüfverfahrens nicht mit einer raschen Entscheidung zu rechnen, teilte die Behörde auf Anfrage mit. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) kündigte an, sich am Freitag selbst ein Bild von den Folgen des jüngsten Wolfsangriffs zu machen. Er will deshalb die Schutzstation »Östliche Oberlausitz« besuchen, zu deren Bereich die gerissenen Schafe und Ziegen gehörten. Kretschmer drängt seit längerem auf eine Lösung der Probleme mit Wölfen in der Lausitz.
Wölfe sind streng geschützt. Die Gesetzeslage lässt aber unter bestimmten Umständen einen Abschuss zu. In Paragraf 45 des Bundesnatur- schutzgesetzes steht, dass dies zur Abwendung erheblicher wirtschaftlicher Schäden erfolgen kann. In Sachsen hat darüber das jeweilige Landratsamt zu entscheiden. In jedem Fall müssen das Umweltministerium und die Landesdirektion eingebunden werden. Auch der Managementplan für den Wolf in Sachsen enthält einen entsprechenden Passus. Darin heißt es: »Die Entfernung von Wölfen ist immer das letzte Mittel der Wahl und nur vorzunehmen, wenn alle anderen Mittel ausgeschöpft sind oder aber Gefahr für Menschen besteht. Es gilt der Grundsatz: Die Sicherheit des Menschen steht immer an erster Stelle.«
Am Dienstag hatten Wölfe bei Förstgen im Landkreis Görlitz eine Herde von Schafen und Ziegen angegriffen. Das ganze Ausmaß der Attacke war erst am späten Abend klar. Die angegriffene Herde aus Schafen und Ziegen umfasste ursprünglich 151 Tiere, nur 62 kamen ohne Blessuren davon. Bis Donnerstagvormittag wurden 43 tote Tiere und 18 verletzte registriert. 28 wurden noch vermisst. In der Naturschutzstation »Östliche Oberlausitz« ging man davon aus, dass auch sie Opfer der Wölfe geworden sind. Einige Tiere wurden auch auf dem Territorium des Landkreises Bautzen getötet. Für den Angriff machen Experten das Daubaner Rudel verantwortlich. In diesem Jahr wurden vier Welpen in diesem Rudel gesichtet. Experten gehen davon aus, dass ältere Wölfe den Jungen mit solchen Angriffen auch ein richtiges Jagdverhalten beibringen wollen.
Unterdessen wurden aus der Politik Rufe nach einem Abschuss von Wölfen laut. »Schutz vor dem Wolf bringt nur der Abschuss. In Sachsen sehen wir: Sogar Elektrozäune bieten keinen Schutz für Schafe auf der Wiese«, erklärte der FDP-Bundestagsabgeordnete Karlheinz Busen. Man brauche eine Bestandskontrolle und jährlich festgesetzte Jagdquoten, damit die Zahl der Wolfsrisse nicht weiter so dramatisch steigt.
In einer Umfrage des Senders Hitradio RTL in Sachsen sprachen sich 27 Prozent der Teilnehmer dafür aus, »Problemwölfe« abzuschießen. In Regionen, in denen die Raubtiere leben, ist die Zustimmung sogar noch größer. In der Lausitz sind es laut dieser Umfrage 41 Prozent, in der Sächsischen Schweiz 33 und in Nordsachsen 30 Prozent. An der Umfrage nahmen fast 2000 Menschen teil.
Sachsen hatte sich für ein länderübergreifendes und einheitliches Wolfsmanagement ausgesprochen. Die Probleme der Tierhalter und die Ängste der Menschen müssten ernst genommen werden, hieß es wiederholt im Umweltministerium. »Wir brauchen eine rechtssichere Lösung und arbeiten daran, dass es bundesweit einheitliche Regelungen gibt«, teilte das Ministerium am Mittwoch mit Blick auf den Abschuss von Wölfen mit.
Der Ministerpräsident will sich vor Ort selbst ein Bild von den Folgen des jüngsten Wolfsangriffs machen.