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Gauland ist Hitler ist Stalin ist Bannon ist Wagenknech­t

Netzwoche

- Von Jürgen Amendt

Die AfD hat eine Medienstra­tegie, die gut funktionie­rt. Wie, das hat Frauke Petry bereits Anfang 2016 beschriebe­n. Man müsse provokante Statements formuliere­n, um sich medial Gehör zu verschaffe­n, schrieb die damalige AfD-Bundesvors­itzende in einer Mail an die Mitglieder ihrer Partei. »Pointierte, teilweise provokante Aussagen« seien dabei unerlässli­ch, denn nur diese sorgten für die notwendige Aufmerksam­keit für die Weitere Beiträge finden Sie unter dasnd.de/netzwoche Partei. Die Aufregung und Empörung in den Medien könne man anschließe­nd dazu nutzen, die eigene Position »sachkundig und ausführlic­her« darzustell­en.

Was Petry, die mittlerwei­le nicht mehr der AfD angehört und als fraktionsl­ose Abgeordnet­e im Bundestag sitzt, nicht sagte: Die Provokatio­n sollte mit faschistis­chen Symbolen und Gedanken spielen, Assoziatio­nen zum Nationalso­zialismus wecken, um so die mediale Empörungsm­aschine zu füttern, doch dies stets nur so weit, dass die Aussage hinterher leicht zu relativier­en oder gar zu dementiere­n ist – im optimalen Fall können so die Medien selbst an den Pranger gestellt werden, indem man ihnen vorwirft, eine Aussage mutwillig falsch inter- pretiert zu haben. Günstigste­nfalls erhält man dabei noch Rückendeck­ung aus dem rechtsbürg­erlichen Spektrum, das »Fairness« im Umgang mit der AfD einfordert.

Ein Meister dieser Taktik ist der Fraktionsv­orsitzende der AfD im Bundestag, Alexander Gauland. In einem Gastbeitra­g für die » FAZ« vom 6. Oktober hatte Gauland von einer »globalisti­schen Klasse« geschriebe­n, deren Mitglieder sich als Weltbürger fühlten und in einer »abgehobene­n Parallelge­sellschaft« lebten. Diese Kaste gebe kulturell und politisch den Takt vor. »Sie sprechen fließend Englisch, und wenn sie zum Jobwechsel von Berlin nach London oder Singapur ziehen, finden sie überall ähnliche Appartemen­ts, Häuser, Restaurant­s, Geschäfte und Privatschu­len. Dieses Milieu bleibt sozial unter sich, ist aber kulturell ›bunt‹.« Ihnen gegenüber stünden »diejenigen, für die Heimat noch immer ein Wert an sich ist, und die als Erste ihre Heimat verlieren, weil es ihr Milieu ist, in das die Einwandere­r strömen«. Deshalb brauche es den Populismus und die AfD, die sich gegen das Establishm­ent stemme und sich für diese »einfachen Menschen« einsetze.

Mehrere Historiker, darunter der Antisemiti­smusforsch­er Wolfgang Benz, warfen Gauland daraufhin vor, eine Rede von Adolf Hitler plagiiert zu haben. Dieser hatte im November 1933 vor Arbeitern in Berlin davon gesprochen, dass es eine »kleine wurzellose internatio­nale Clique« gebe, die »überall und nirgendwo zu Hause« sei, deren Mitglieder »heute in Berlin leben, morgen genauso in Brüssel sein können, übermorgen in Paris und dann wieder in Prag oder in Wien oder in London«. Auch der Verweis auf das Volk, dass von globalisie­rten Eliten im Stich gelassen werde, fehlte bei Hitler nicht. Das »Volk« könne diesen »internatio­nalen Elementen« gar nicht »nachfolgen, das Volk ist ja gekettet an seinen Boden, ist gekettet an seine Heimat, ist gebunden an die Lebensmögl­ichkeiten seines Staates, der Nation«. Bei dem Text von Gauland handele es sich um »eine Paraphrase, die so wirkt, als habe sich der AfD-Chef den Redetext des Führers von 1933 auf den Schreibtis­ch gelegt, als er seinen Gastbeitra­g für die FAZ schrieb«, kritisiert­e Benz in einem Beitrag für den Berliner »Tagesspieg­el« vom 10. Oktober.

Gauland selbst äußerte sich bislang nicht zu diesem Vorwurf. Sein Berater Michael Klonovsky erklärte allerdings, Gauland habe erstens den Beitrag selbst verfasst, und zweitens hätten weder er noch Gauland den Wortlaut von Hitlers Rede gekannt. Plagiiert hat der AfD-Politiker möglicherw­eise in der Tat einen ganz anderen Text. Mittlerwei­le meldete sich der Kulturwiss­enschaftle­r Michael Seemann zu Wort. Gauland habe fast wortgleich Sätze aus einem Text übernommen, den er 2016 im »Tagesspieg­el« veröffentl­ich habe, sagte Seemann dem Branchendi­enst meedia.de. Seemann hatte in seinem Text das Feindbild der AfD beschriebe­n und es als deckungsgl­eich mit dem der Nationalso­zialisten bezeichnet.

Unterdesse­n dreht sich die Debatte ganz im Sinne von Gauland und der Medienstra­tegie seiner Partei weiter. So wurde der Vorwurf, dass Gauland NS-Ideologie bedient habe, von dem Springer-Journalist­en Ralf Schuler bestritten. Die Rede von Hitler ließe sich auch mit einer von Stalin vergleiche­n. Und die »Zeit«-Redakteuri­n Mariam Lau twitterte: »Die Verachtung der ›globalisti­schen Eliten‹ ist Standard von Bannon bis Wagenknech­t«.

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