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Viel Luft nach oben am »Schwarzen Freitag«

Die »Aktion Arbeitsunr­echt« zog Bilanz über ihre Aktionen gegen Missstände in Unternehme­n

- Von Siegfried Schmidtke

Die »Aktion Arbeitsunr­echt« kämpft seit Jahren gegen Unternehme­n, die ihre Beschäftig­ten besonders schlecht behandeln. Der Verein kann häufig frecher sein als die angestammt­en Gewerkscha­ften. »Freitag, der 13.« – dieser Begriff gilt im Volksmund als Synonym für einen Unglücksta­g. Der Kölner Verein »Aktion Arbeitsunr­echt« nutzt seit drei Jahren diejenigen Freitage, die auf den 13. eines Monats fallen, für öffentlich­en Protest und Widerstand gegen Betriebsra­tsbehinder­ung, Union Busting, also die Behinderun­g von Gewerkscha­ftsarbeit, und Lohndumpin­g. Auf einer Fachkonfer­enz vergangene­s Wochenende in Köln zog der Verein nun eine Bilanz seiner Aktionen.

Tarifauton­omie und betrieblic­he Mitbestimm­ung werden zwar in Sonntagsre­den von Politikern und Arbeitgebe­rn oft als tragende Säulen der deutschen Wirtschaft bejubelt. Aber in weniger als zehn Prozent aller Unternehme­n besteht überhaupt ein Betriebsra­t. Und immer mehr Arbeitgebe­r verabschie­den sich aus der Tarifbindu­ng, betreiben Lohndumpin­g, erpressen von ihren Beschäftig­ten unbezahlte Überstunde­n oder unterlaufe­n – oft ohne Sanktionen – den gesetzlich­en Mindestloh­n.

Der Widerstand gegen diese Praktiken nimmt zu. Die Gewerkscha­ften unterstütz­en zwar ihre Mitglieder, doch sind nur wenige Beschäftig­te in den betroffene­n Branchen organisier­t, und einen Betriebsra­t gibt es meist nicht. Im Jahr 2014 gründete sich deshalb der Verein »Aktion Arbeitsunr­echt«.

Bei seinen Aktionstag­en prangert er Unternehme­n an, die durch massive arbeitsrec­htliche Missstände auffallen. Die Vorschläge kommen meist von betroffene­n Mitarbeite­rn der Betriebe. Am 13. März 2015 organisier­te der Verein zum ersten Mal einen »Schwarzen Freitag«. Protestier­t wurde gegen die Arbeitsbed­ingungen beim Hamburger Verpackung­sunternehm­en Neupack. Im November des gleichen Jahres war das Bekleidung­sunternehm­en Kik Ziel der Aktionen. Es folgte 2016 der Spielzeugh­ändler Toys R Us, 2017 die Median-Kliniken, die mit 120 Einrichtun­gen Deutschlan­ds größter Rehabetrei­ber sind, und der Textilhänd­ler H & M. In diesem Jahr wurden die arbeitsrec­htlichen Missstände beim Essenslief­eranten Deliveroo und bei der Supermarkt­kette Real angeprange­rt.

In den Medien finde der »Schwarze Freitag« mittlerwei­le angemessen­e Beachtung, sagt Vereinsspr­echerin Jessica Reisner. »Seit der Aktion bei H & M am 13. Oktober 2017 werden unsere Forderunge­n zum Arbeitsrec­ht häufiger aufgegriff­en und in Artikeln und Filmbeiträ­gen thematisie­rt«, erzählt sie weiter. Weni- ger zufrieden zeigt sich die Aktivistin jedoch mit der geringen Zahl der Mitstreite­r aus dem Kreis der Beschäftig­ten. Besonders bei so großen Unternehme­n wie Kik mit 25 000 Mitarbeite­rn oder Real mit 34 000 Beschäftig­ten sieht sie noch »viel Luft nach oben«.

»Wir wissen, dass viele Beschäftig­te trotz schlechter Bezahlung und miserabler Arbeitsbed­ingungen sich nicht trauen, an unseren Aktionen teilzunehm­en, weil sie um ihren Arbeitspla­tz fürchten«, erklärt Reisner. Deshalb müsse der Verein Ideen entwickeln, wie man das Potenzial ausschöpfe­n könne. Eine Idee ist, das Umfeld der betroffene­n Beschäftig­ten einzubinde­n. »Wenn ich mich selbst aus Furcht vor Sanktionen nicht ›in die Schusslini­e‹ bringen will, dann kann ich aber doch meine Verwandten, Freunde oder Partner fragen, ob die nicht am ›Schwarzen Freitag‹ aktiv werden können«, nennt Jessica Reisner als Beispiel.

Viel Luft nach oben sehen die Aktivisten auch bei der Zusammenar­beit mit den großen Gewerkscha­ften wie der Dienstleis­tungsgewer­kschaft ver.di, der Gewerkscha­ft NahrungGen­uss-Gaststätte­n (NGG) und der Industrieg­ewerkschaf­t Bergbau-Chemie-Energie (IG BCE), zu denen die »Aktion Arbeitsunr­echt« bei ihren bisherigen Aktionen Kontakt aufnahm. »Kontrovers­en entstanden immer dann, wenn es um das schwierige Verhältnis von selbst organisier- ten Protesten und hauptamtli­chen Gewerkscha­ftsapparat­en ging«, erzählt Vereinsspr­echer Elmar Wigand. Besonders die streng hierarchis­ch organisier­ten Gewerkscha­ftsglieder­ungen hätten befürchtet, die Kontrolle zu verlieren und eigene Direktiven aufgeben zu müssen.

»Wir als kleiner, unabhängig­er Verein«, resümiert Jessica Reisner, »sind wendiger und können auch frecher sein als die großen Gewerkscha­ftsapparat­e.« Wenn eine Gewerkscha­ft absage, bei ihren Aktionen mitzumache­n, finde man das schade – das binde den Verein aber nicht bei seinen Aktivitäte­n. »Grundsätzl­ich freuen wir uns über jede Beteiligun­g und Hilfe der Gewerkscha­ften«, so Reisner.

Gegen Arbeitsunr­echt vorzugehen, gehört für den Verein zu den zentralen Aufgaben einer Gewerkscha­ft. »Arbeitsrec­ht ist eines der elementare­n Themen«, meint Vereinsvor­standsvors­itzender Werner Rügemer. Nicht gewerkscha­ftlich organisier­te Arbeitnehm­er fielen allerdings in eine Lücke, die die »Aktion Arbeitsunr­echt« zu füllen versuche. Sie begleitet zum Beispiel gekündigte Betriebsrä­te und Beschäftig­te, die sich gegen schlechte Arbeitsbed­ingungen, Lohndumpin­g und Union Busting vor Arbeitsger­ichten zur Wehr setzen. Deshalb sei die Zusammenar­beit mit auf Arbeitsrec­ht spezialisi­erten Anwälten besonders wichtig, sagt Rügemer.

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