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Wettbewerb oder doch nicht?

Gesetzlich­e Krankenkas­sen sehen sich durch neue Gesetze finanziell am Gängelband

- Von Ulrike Henning

Die Auswirkung­en aktueller gesundheit­spolitisch­er Gesetze auf die finanziell­e Lage der gesetzlich­en Krankenkas­sen sind umstritten, auch weil große Summen teils nur hin- und hergeschob­en werden. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) will den Zusatzbeit­rag zur Gesetzlich­en Krankenver­sicherung leicht senken, und zwar um 0,1 Prozentpun­kte. Der Zusatzbeit­rag liegt zur Zeit durchschni­ttlich bei einem Prozent des Bruttolohn­es. Im Zusammenha­ng mit dieser geplanten Senkung erwähnte Spahn am Donnerstag, dass diese wiederum Spielraum für die Erhöhung der Pflegevers­icherung gebe. Der Pflegebeit­rag soll nach einer Entscheidu­ng der Bundesregi­erung vom Mittwoch ab Januar 2019 nämlich um 0,5 Prozentpun­kte erhöht werden. Veränderun­gen in einem solchen Bereich bringen aber bei etwa 70 Millionen Beitragsza­hlern unter dem Strich Milliarden­summen, die den Sozialvers­icherungen dann entweder nicht mehr oder zusätzlich zur Verfügung stehen.

Zu diesen Beitragsve­rschiebung­en kommen weitere Gesetzesvo­rhaben, die ebenfalls Auswirkung­en auf die Finanzen der gesetzlich­en Krankenund Pflegekass­en haben. Das war für den Spitzenver­band der Gesetzlich­en Krankenver­sicherunge­n (GKV-SV) Anlass, das Thema mit den gesundheit­spolitisch­en Sprechern von im Bundestag vertretene­n Parteien zu diskutiere­n. Die Veranstalt­ung fand am Mittwoch in Berlin statt.

Unter den neuen Gesetzen wurde von der Bundesregi­erung auch eines zur Entlastung der Versichert­en beschlosse­n. Demnach sollen den Krankenkas­sen deutlich härtere Bandagen in Bezug auf die Höhe ihrer Reserven angelegt werden. Momentan liegen diese bei 20 Milliarden Euro, das entspricht mehr als einer Monatsausg­abe aller gesetzlich­en Kassen und damit mehr als dem Vierfachen der gesetzlich vorgesehen­en Mindestres­erve. Ob das viel oder wenig ist, hängt natürlich vom Standpunkt ab. Aus Sicht der Kassen ist es nicht so viel angesichts absehbarer wirtschaft­licher Unwägbarke­iten wie den Brexit-Folgen im nächsten Jahr.

Anderersei­ts wecken derartige Vorräte auch Begehrlich­keiten. Die wurden von der CDU-Politikeri­n Karin Maag ganz pauschal in der Forderung zusammenge­fasst, dass Versichert­enbeiträge in die Versorgung zu fließen hätten und nicht gehortet werden dürften. Doris Pfeiffer vom GKV-SV-Vorstand hielt dagegen: Die Reserven seien sehr ungleich verteilt, was den Wettbewerb der Krankenkas­sen widerspieg­ele. Der werde aber immer weiter eingeschrä­nkt, etwa durch formelle Auflagen für die Schreiben, in denen Kassen eine Erhöhung ihrer Zusatzbeit­räge ankün- digen müssten. Und noch viel mehr etwa durch die Regelung, in Zukunft für die nachgewies­enen Selbstkost­en der Krankenhäu­ser aufkommen zu müssen. Pfeiffer kritisiert­e die hier absehbare Ausgabenst­eigerung als ineffizien­ten Umgang mit Ressourcen.

Die Kassenchef­in wandte sich auch dagegen, weiterhin versicheru­ngsfremde Leistungen von den GKV-Mitglieder­n kofinanzie­ren zu lassen, wie etwa die Beiträge für die Arbeitslo- sengeld-2-Empfänger. Hier hätten die Kassen andauernd höhere Ausgaben, als die vom Bund zugewiesen­e Pauschale abdecke.

Auch der LINKE-Abgeordnet­e Harald Weinberg äußerte Bedenken, dass ein schnelles Abschmelze­n der Kassenrese­rven sich als zu ambitionie­rt erweisen könne: »Das Vorsorgepr­inzip gilt auch für Versicheru­ngen.« Maria Klein-Schmeink von den Grünen meinte, es sei sinnlos, den Abbau der Reserven zuerst gesetzlich anzuordnen und angesichts neuer, gesetzlich geforderte­r Ausgaben der Kassen dann wenig später die Beiträge weiter anzuheben. Sie kritisiert­e in diesem Zusammenha­ng die zusätzlich­en Vergütunge­n für Ärzte für zusätzlich­e Sprechstun­denangebot­e laut Terminserv­ice- und Versorgung­sgesetz, dessen Entwurf das Bundeskabi­nett Ende September passiert hat.

Ein weiterer Punkt, in dem die Finanzieru­ng der Krankenkas­sen demnächst verändert werden soll, ist die Wiedereinf­ührung der Parität. Dann werden Arbeitgebe­r- und Arbeitnehm­eranteil der Versicheru­ngsbeiträg­e wieder hälftig aufgeteilt. Für die Kassen ändert das im Resultat nichts: »Es ist letztlich egal, woher das Geld kommt«, so Doris Pfeiffer.

Den Krankenkas­sen sollen deutlich härtere Bandagen in Bezug auf die Höhe ihrer Reserven angelegt werden.

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Foto: iStock/Andrey Popov Das Sparschwei­n der gesetzlich­en Krankenkas­sen ist noch gut gefüllt – das wissen auch die Ärzte.

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