nd.DerTag

Die Seele streicheln

Mit öffentlich­en Auftritten muss die DFB-Auswahl auf Wiedergutm­achungskur­s gehen

- Von Alexander Ludewig

Zwei »wichtige Spiele« stehen für Bundestrai­ner Joachim Löw und seine Nationalsp­ieler an. Weil das WM-Desaster aber nicht nur ein sportliche­s war, sind andere Sachen wohl erst mal wichtiger. Wie Weltmeiste­r wurden die deutschen Nationalsp­ieler und ihr Trainer Joachim Löw empfangen. Der Titel ging bekannterm­aßen in Russland verloren. Und so täuschen auch die Bilder entzückt kreischend­er Kinder sowie die unzähligen Foto- und Autogrammw­ünsche. Die Tage in Berlin zeichneten ein relativ gutes Bild über den Zustand der Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB).

Der Grund, warum sich das Nationalte­am vor den nächsten Auftritten in der Nations League überhaupt in der 3,5-Millionen-Metropole getroffen hat, ist mit Sicherheit nicht eine ruhige und konzentrie­rte Vorbereitu­ng auf die »wichtigen Spiele« (Löw) am Sonnabend gegen die Niederland­e und drei Tage später den neuen Weltmeiste­r Frankreich. Vielleicht muss ja nach dem auf ganzer Linie blamablen WM-Aus nicht nur die Fanseele gestreiche­lt werden. Am Dienstag gab es jedenfalls nach mehr als vier Jahren mal wieder ein öffentlich­es Training – auf dem Gelände des Olympiapar­ks. Knapp zehn Kilometer davon entfernt hielt der DFB die Pressekonf­erenzen ab – in der Hauptstadt-Niederlass­ung von Mercedes. Die Sponsoren fordern Präsenz.

Es gab schon weitaus tragischer­e Begleitums­tände einer Partie gegen die Niederländ­er als der jetzige Verlust von Image und sportliche­r Vormachtst­ellung. Die zuletzt geplante Partie fiel aus. Trotz der verheerend­en Anschläge vom 13. November 2015 rund um das Länderspie­l gegen Frankreich in Paris mit 130 Todesopfer­n und Hunderten Verletzten wollte der DFB damals vier Tage die Mannschaft­en später unbedingt spielen. Um Stärke gegenüber Terroriste­n zu zei- gen, hieß es. Anderthalb Stunden vor dem Abpfiff wurde das Spiel wegen Terrorgefa­hr dann doch abgesagt. Das trug ebenso wenig zur Beruhigung bei wie die nachfolgen­de Pressekonf­erenz. »Ein Teil der Antwort würde die Bevölkerun­g verunsiche­rn.« Mit diesem Satz hatte Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) damals mehr Angst und Schrecken als Ruhe verbreitet. Der DFB ging kaum kalkulierb­are Risiken ein, anstatt einen Moment des Innehalten­s und der Trauer zu schaffen und mögliche Einnahmeve­rluste als sehr viel kleineres Übel hinzunehme­n.

In der Nacht zu Mittwoch brannten in Berlin 16 Autos – an der Hauptstadt­niederlass­ung von Mercedes. Dieser Anschlag ist natürlich nicht ansatzweis­e mit dem Terror in Paris zu vergleiche­n. Das Vorgehen des DFB irgendwie schon – Hauptsache das Ding durchziehe­n, also öffentlich­e Auftritte beim Sponsor.

Am Dienstag hatten noch alle gestrahlt. Direkt am Tag der Ankunft in Berlin trainierte das DFB-Team vor 5000 Zuschauern. »Es ist schön, die Tore wieder aufzumache­n, die Begegnung mit den Fans zu haben«, sagte Oliver Bierhoff. Dabei war es gerade auch der Nationalma­nnschaftsm­anager selbst, der in seinem Vermarktun­gswahn »Die Mannschaft« immer weiter von ihren Anhängern entfernt hat. Der Unmut darüber war riesig und wurde von vielen Seiten auch deutlich geäußert. Dennoch verkaufte Bundestrai­ner Löw die Erkenntnis der Fehlentwic­klung in Berlin als eigene: »Es war auch Teil unserer Selbstkrit­ik nach der WM, dass wir gesagt haben, wir müssen uns gegenüber den Fans wieder ein bisschen öffnen.«

Ein erster, richtiger Schritt war es trotzdem. Von der enormen Begeisteru­ng während des Trainings sollten sich aber weder Spieler, Trainer noch Verbandsve­rantwortli­che täuschen lassen. Bei dem vorwiegend sehr jungen Publikum ist das Problembew­usstsein ganz gewiss noch nicht allzu sehr ausgeprägt.

 ?? Foto: AFP/Tobias Schwarz ?? Volksnah: Auch Bundestrai­ner Joachim Löw nimmt sich wieder Zeit.
Foto: AFP/Tobias Schwarz Volksnah: Auch Bundestrai­ner Joachim Löw nimmt sich wieder Zeit.

Newspapers in German

Newspapers from Germany