Menschenrechte sind unteilbar
Am Samstag wendet sich eine bunte Großdemo in Berlin gegen rechte Hetze
Berlin. Der Herbst der Solidarität geht weiter. Nach den Großdemonstrationen in Hamburg und München werden am Samstag in Berlin Zehntausende gegen den Rechtsruck, Sozialabbau und Rassismus demonstrieren. Das breit gefächerte Bündnis »Unteilbar« sowie die Polizei rechnen mit 40 000 Teilnehmern. Die Menschen werden unter dem Motto »Für eine offene und freie Gesellschaft – Solidarität statt Ausgrenzung« auf die Straße gehen. Zahlreiche Organisationen, zivilgesellschaftliche Initiativen, Einzelpersonen und Prominente haben den Aufruf bisher unterschrieben.
Die Demonstration startet um zwölf Uhr auf dem Alexanderplatz und endet mit einer Abschlusskundgebung in den Abendstunden am Großen Stern. Begleitet wird der Protest auch von musikalischen Beiträgen. Diese kommen unter anderem von Konstantin Wecker, Joy Denalane und Herbert Grönemeyer. Auch der Berliner Rapper Matondo wird erwartet. Als Redner sollen die Netzaktivistin Kübra Gümüsay, Vertreter der Initiative Schwarzer Deutscher und anderer Gruppen aus dem antirassistischen Spektrum auftreten.
Auch Kirchen und Sozialverbände sind dabei. Außerdem haben diverse Politiker ihre Unterstützung zugesagt. Am Freitag erklärten die Grünen-Landeschefs von Berlin, Nina Stahr und Werner Graf, sie kämpften dafür, »dass in unserem Land alle Menschen angstfrei und selbstbestimmt leben können – unabhängig von Hautfarbe, Herkunft, Glauben, Geschlecht oder sexueller Orientierung«. Freiheit, Menschenrechte und Demokratie seien keine Selbstverständlichkeit. »Wir müssen unsere Werte gemeinsam verteidigen«, forderten die GrünenPolitiker. Die Bundestagsfraktionschefin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, warb ebenfalls für die Veranstaltung.
SPD-Chefin Andrea Nahles rief im sozialen Netzwerk Facebook zur Teilnahme an der Demonstration auf. Zudem teilte der SPD-Landesverband Berlin mit: »Wir stellen uns dagegen, dass von rechtsradikalen Gruppen und Parteien, von Pegida, rechten Hooligans und der AfD Humanität, Menschenrechte, Religionsfreiheit und der Rechtsstaat offen angegriffen werden.«
Die Linksparteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger hatten erklärt: »Für eine freie und vielfältige Gesellschaft, für soziale Gerechtigkeit und Sicherheit gehen wir am Samstag gemeinsam mit Tausenden auf die Straße!« In der Partei hatte das Thema zu Streit geführt, weil Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht die Meinung vertrat, dass in dem Aufruf von »Unteilbar« die Forderung nach offenen Grenzen dominiere.
Auf einem Kongress in Berlin sollen »progressive Positionen« gestärkt werden. Diejenigen, die sich als Linke in der SPD betrachten, wollten sich am Freitagabend in Berlin zu einem Kongress versammeln. Unter dem Motto »Solidarität in unsicheren Zeiten« wollen sie über Wege zur »Erneuerung« der Partei nachdenken und den »fortschrittlichen und solidarischen Positionen« in ihr »das nötige Gewicht« geben, wie es in der Einladung heißt. Am Samstag soll die Tagung bis zum Mittag beendet sein, damit die Genossen die Möglichkeit haben, anschließend an der »Unteilbar«-Demonstration gegen Rechtsruck und Entsolidarisierung teilzunehmen.
Gesprächsbedarf gibt es reichlich. Auf Bundesebene kommt die SPD aktuellen Umfragen zufolge nur noch auf 15 Prozent der Stimmen, in Bayern lag sie unmittelbar vor der Landtagswahl nur noch bei zehn Prozent. Allerdings ist ein Großteil des Kongressprogramms für Referate prominenter Funktionäre und Sympathisanten vorgesehen, unter ihnen Gesine Schwan. Und am Mittwoch veröffentlichten Schwan und weitere prominente Genossen auf der Webseite »spd-linke.info« bereits ein umfangreiches Thesenpapier, das offenbar als Diskussionsgrundlage für den Kongress gedacht ist. Zu den Unterzeichnern gehören neben Juso-Chef Kevin Kühnert auch der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Ralf Stegner und der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael
»Mein Flügel schafft es 2018 in bekannter ›Blässe‹ Papiere zu verfassen«
Der Berliner SPD-Politiker Aziz Bozkurt Müller – also nicht gerade Leute, die die regierungskritische Basis repräsentieren. Genau das monierte der Berliner SPD-Politiker und Parteilinke Aziz Bozkurt via Twitter: »Mein Flügel schafft es 2018 in bekannter ›Blässe‹ Papiere zu verfassen. Und auch mit Leuten, die noch nie bei Treffen der SPD Linken zu sehen waren.«
Im Gespräch mit »nd« monierte der Bundesvorsitzende der AG Migration und Vielfalt in der SPD am Freitag vor allem, dass mit dem Papier bereits eine Vorgabe für die Tagung gemacht werde. Inhaltlich gehe es durchaus in die richtige Richtung, sagte Bozkurt. Die Forderung von Parteichefin Andrea Nahles in der »Zeit«, die SPD dürfe nicht mehr rückwärtsgewandt über die Agenda 2010 diskutieren, sondern man müsse gemeinsam am geplanten Konzept »Sozialstaat 2025« arbeiten, begrüßte der 36-Jährige. Wichtig sei aber, dass man von den »Sanktionsmechanismen« und von der »Gängelei« von Erwerbslosen wegkomme, betonte Bozkurt.
Hilde Mattheis, Vorsitzende der SPD-Plattform Demokratische Linke 21, äußerte am Freitag im Deutschlandfunk Skepsis, ob Nahles wirklich sozialpolitische Fehler aus der Zeit von Kanzler Gerhard Schröder (»Es gibt kein Recht auf Faulheit«) korrigieren wolle. Eins sei klar, so Mattheis: mit CDU und CSU lasse sich Hartz IV nicht beseitigen. Die SPD müsse auf die LINKE zugehen, um Armut und Wohnungsnot in einer »linksprogressiven Regierung« bekämpfen zu können. Bleibe die SPD in der Koalition und verschiebe dabei ihr »Koordinatensystem« noch weiter nach rechts, werde sie untergehen, prognostizierte Mattheis.