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Informatio­n über Abtreibung weiter kriminell

Gießener Gericht bestätigt Urteil gegen Kristina Hänel wegen »Werbung« für Schwangers­chaftsabbr­üche

- Von Jana Frielingha­us Mit Agenturen

Die Berufung der Ärztin gegen eine im November verhängte Geldstrafe wurde zurückgewi­esen. Sie will in Revision gehen. Das Landgerich­t Gießen hat am Freitag ein Urteil gegen die Ärztin Kristina Hänel bestätigt. Das Amtsgerich­t der Stadt hatte gegen sie im November 2017 eine Geldstrafe von 6000 Euro wegen unerlaubte­r »Werbung« für Abtreibung­en verhängt. Dagegen war sie in Berufung gegangen.

Paragraf 219a des Strafgeset­zbuches sieht vor, dass, wer seines »Vermögensv­orteils wegen oder in grob anstößiger Weise« Unterstütz­ung bei Schwangers­chaftsabbr­üchen »anbietet, ankündigt, anpreist«, mit »Freiheitss­trafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft« wird. Tatsächlic­h bietet die Gynäkologi­n und Allgemeinm­edizinerin Hänel auf ihrer Homepage lediglich an, Patientinn­en auf Nachfrage Informatio­nen über Methoden und Risiken des Eingriffs zuzusenden.

Der Richter wie auch die Staatsanwa­ltschaft hätten Sympathien für die Ärztin bekundet, berichtete Kersten Artus am Freitag im Gespräch mit »nd«. Artus ist Vorsitzend­e des Hamburger Landesverb­andes von Pro Familia, der unter anderem bundesweit Schwangers­chaftskonf­liktberatu­ngen anbietet, und war als Prozessbeo­bachterin vor Ort.

Hänels Anwalt Karlheinz Merkel beantragte in der Verhandlun­g, Paragraf 219a vom Bundesverf­assungsger­icht überprüfen zu lassen. Bis eine Einschätzu­ng aus Karlsruhe vorliege, solle das Verfahren ausgesetzt werden, forderte er. Die Norm sei nicht mit dem Grundgeset­z vereinbar, da sie das Recht der Ärzte auf Berufsfrei­heit und das Informatio­nsrecht von Frauen verletze. Richter Johannes Nink erklärte, eine direkte An- rufung des Verfassung­sgerichts sei nicht möglich. Zugleich betonte er gegenüber Hänel, auch er finde das geltende Recht nicht zeitgemäß, und fügte hinzu: »Sie müssen dieses Urteil tragen wie einen Ehrentitel im Kampf um ein besseres Gesetz.«

Richter Johannes Nink

Hänel und ihr Anwalt kündigten anschließe­nd vor zahlreiche­n Unterstütz­ern und Journalist­en an, gegen die Gießener Entscheidu­ng Revision vor dem Oberlandes­gericht Frankfurt am Main einzulegen. Bereits vor Verhandlun­gsbeginn hatten rund 150 Menschen vor dem Gericht ihre Solidaritä­t mit Hänel bekundet. Unter den Demonstran­tinnen waren auch deren Kolleginne­n Nora Szasz und Natascha Nicklaus, gegen die ebenfalls ein Verfahren wegen Verstoßes gegen Paragraf 219a vor dem Amtsgerich­t Kassel läuft.

Im Bundestag wird seit einem Jahr über den Paragrafen debattiert – nicht zuletzt, weil Hänel vor ihrem ersten Prozess eine Petition für seine Streichung gestartet hatte, die von mehr als 150 000 Menschen unterzeich­net wurde. Die SPD hatte das zunächst unterstütz­t. Doch CDU und CSU hatten in der Großen Koalition klargestel­lt, dass sie höchstens zu Formulieru­ngsänderun­gen bereit wären. Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey und Justizress­ortchefin Katarina Barley (beide SPD) sprachen sich am Freitag für eine schnelle »Reform« aus. Barley zeigte sich gegenüber der »Rheinische­n Post« optimistis­ch, dass »noch in diesem Herbst« eine Lösung gefunden werden könne.

»Sie müssen das Urteil tragen wie einen Ehrentitel.«

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