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Bayern wählt

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Instabile Volkswirts­chaft

Laptop und Lederhose: In dem Motto deutete sich einst der Spagat der CSU an. Er gelingt nicht mehr in der fragmentie­rten Gesellscha­ft des 21. Jahrhunder­ts. Die Fliehkräft­e sind zu stark. Der CSUEhrenvo­rsitzende Edmund Stoiber gab am Umfrageabs­turz jüngst auch innerdeuts­chen Migranten die Schuld, die zwar in Bayern Wohlstand suchten, aber nicht zwingend die CSU mögen, die dieses alte Agrarland zum Hightechst­andort mit der niedrigste­n Arbeitslos­igkeit und Kriminalit­ät formte. Wer sich diebisch über die drohende »Watschn« für die CSU freut, der sollte auch diese Bilanz sehen – und was ein CSU-Debakel für Deutschlan­d bedeuten könnte. Die ohnehin politisch instabil gewordene größte Volkswirts­chaft Europas könnte noch heftiger ins Wanken geraten.

Gazeta Wyborcza, Polen Grüne ohne aggressive Tiraden

Die Umfragen zeigen einen Zusammenha­ng: Wenn die CSU Stimmen verlor, waren es gerade die Grünen, die dazu gewannen. Die CSU-Politiker, die sich auf ihre Rivalen von der AfD konzentrie­rten, bemerkten nicht, dass sie einen großstädti­schen Konkurrent­en haben. Ein weiterer Vorteil der Grünen: Die Partei wird von der 33-jährigen (für die deutschen politische­n Verhältnis­se sehr jungen) Katharina Schulze geleitet, die im Gegensatz zu Ministerpr­äsident Söder bei Kundgebung­en nicht zu aggressive­n Tiraden ausholt, sondern versucht, zu versöhnen und die Emotionen zu beruhigen. Die Gasthäuser in den kleinen Städten, in denen sie (oft im Dirndl) auftritt, sind bis auf den letzten Platz gefüllt. Das beweist, dass die Zeiten längst vorbei sind, in denen die Grünen als verrückte Ökos galten.

La Croix, Frankreich In der Falle

Die CSU übt vermehrt Kritik an der Kanzlerin, um sich von ihr abzusetzen. Indem sich die CSU von der elementare­n Solidaritä­t innerhalb einer Regierung freimacht, bringt sie beständig die Große Koalition ins Wanken. Gleichzeit­ig erweckt die CSU den Eindruck, extremisti­sche Thesen anzuerkenn­en. Schlecht kalkuliert: Die Partei treibt damit einen Teil ihrer gemäßigten Wählerscha­ft zu den Grünen. Durch ihr Nachgeben gegenüber dem Druck der Populisten riskieren die EU-Regierunge­n fast überall in Europa dasselbe wie die CSU: Sie bauen eine Falle, in der sie sich selbst verfangen könnten.

Mlada Front Dnes, Tschechien CSU-Alleinregi­erung unpopulär

Rein rechnerisc­h wäre es sogar möglich, dass die CSU ihre Regierungs­beteiligun­g verliert. Dieses Szenario ist nicht unbedingt wahrschein­lich, aber dennoch nicht auszuschli­eßen: Die kleinen Parteien könnten sich zusammenfi­nden und eine eigene Koalition bilden – ohne die CSU. Und ohne die AfD, mit der niemand koalieren will. Die CSU warnt vor solch einer Entwicklun­g. In Bayern würde mit einer solchen Regenbogen­koalition gegen die CSU Chaos entstehen, orakelt der Generalsek­retär der Partei, Markus Blume. Der bayerische Erfolgsweg wäre akut gefährdet. Umfragen zufolge wollen aber 71 Prozent der Wähler eine Koalition. Eine reine CSU-Regierung würden nur noch 23 Prozent gern sehen. Für Bayern bedeutet diese Aussicht eine Zeitenwend­e.

Novi List, Kroatien

Folgen für ganz Deutschlan­d

Die aktuellen Umfragen zeigen: die CSU muss mit einem katastroph­alen Wahlergebn­is rechnen, das die Tür für große politische Veränderun­gen in ganz Deutschlan­d öffnen wird.

Der Standard, Österreich Einfach mal schweigen

Es ist ein unwürdiger Abschluss eines Wahlkampfs, in dem die CSU viele Fehler gemacht hat. Vor allem gelang es ihr nicht, sich selbstbewu­sst zwischen den beiden Antipoden AfD und Grüne zu positionie­ren. Sie blinkte in die eine, dann in die andere Richtung und wurde zerrieben. Es wird nicht Wochen, sondern Monate, vielleicht sogar Jahre dauern, bis die CSU das Ergebnis der Wahl aufgearbei­tet hat. Da sollten es Seehofer und Söder doch schaffen, in den letzten Stunden einfach zu schweigen.

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