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Clara Zetkin auszublend­en, ist historisch falsch

Janine Wissler empfindet es als Frechheit, dass die Bundesregi­erung den Einsatz von Clara Zetkin für das Frauenwahl­recht nur am Rande würdigt

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Die Bundesregi­erung bewirbt ihre Jubiläumsk­ampagne mit Postkarten, Flugblätte­rn und Stoffbeute­ln. Darauf zu sehen sind die Konterfeis von vier Frauen: Die Sozialdemo­kratinnen Elisabeth Selbert und Marie Juchacz, Helene Lange von der Deutschen Demokratis­chen Partei und Helene Weber von der Zentrumspa­rtei und später CDU. Unsere Regierung ist also offenbar der Ansicht, dass das Frauenwahl­recht allein von sozialdemo­kratischen, konservati­ven und liberalen Frauen erkämpft wurde.

Wie sonst ist es zu erklären, dass zentrale Figuren der Frauenbewe­gung, Sozialisti­nnen wie Clara Zetkin, gar nicht oder nur am Rande genannt und gewürdigt werden? Auf der Homepage der Kampagne wird Clara Zetkin wenigstens erwähnt, aber offenbar möchte das Bundesmini­sterium nicht, dass die Menschen mit einem Porträt von ihr auf einem Tragebeute­l herumlaufe­n. (Ob Zetkin selbst Wert darauf gelegt hätte, ist fraglich.)

Es geht nicht darum, den Einsatz der ausgewählt­en Persönlich­keiten zur Gleichstel­lung von Frauen zu schmälern. Insbesonde­re die Sozialdemo­kratin Elisabeth Selbert kämpfte im Parlamenta­rischen Rat - zunächst übrigens ohne die Unterstütz­ung von Helene Weber – für die Verankerun­g der Gleichbere­chtigung im Grundgeset­z und mobilisier­te die Öffentlich­keit. Beim Kampf um das Janine Wissler ist Fraktionsv­orsitzende der LINKEN in Hessen und stellvertr­etende Bundesvors­itzende der Linksparte­i. Frauenwahl­recht konnte sie aufgrund ihres Alters noch keine entscheide­nde Rolle spielen. Der erste deutsche Frauenstim­mrechtsver­ein, der »Deutsche Verein für Frauenstim­mrecht«, wurde 1902 von Anita Augspurg, Minna Cauer und Lida Gustava Heymann in Hamburg gegründet. Die sozialisti­sche und kom- munistisch­e Strömung der Frauenbewe­gung einfach auszublend­en, ist eine Frechheit und historisch falsch. Es waren Sozialisti­nnen wie Clara Zetkin und Rosa Luxemburg, die ihre Zeit und die Frauenbewe­gung geprägt haben und für ihre Überzeugun­g mit Gefängnis bestraft wurden.

Gerade Clara Zetkin hat Zeit ihres Lebens für Frauenrech­te gekämpft, erst in der SPD, danach gehörte sie als Abgeordnet­e der KPD dem Reichstag an, bis sie 1933 vor den Nazis flüchten und ins Exil gehen musste. Unter dem Einfluss von Clara Zetkin nahm die SPD 1891 als erste Partei die Forderung nach dem Frauenwahl­recht in ihr Programm auf. Clara Zetkin setzte sich auch für die Erwerbstät­igkeit und damit die ökonomisch­e Unabhängig­keit von Frauen ein. Sie kämpfte gegen in der Arbeiterbe­wegung verwurzelt­e Ressentime­nts, wonach die Frau die »Schmutzkon­kurrentin« des Mannes sei.

Das Frauenwahl­recht allein war für Clara Zetkin nicht ausreichen­d, um die Gleichbere­chtigung voranzutre­iben. Die Gleichbere­chtigung von Frauen war für Zetkin untrennbar mit der Klassenfra­ge verbunden und darin unterschie­d sie sich von der bürgerlich­en Frauenbewe­gung. Als die Begeisteru­ng für den ersten Weltkrieg in der Gesellscha­ft hegemonial wurde, wurden Kriegsgegn­erinnen wie Clara Zetkin oder Rosa Luxemburg in der eigenen Partei angefeinde­t. Dennoch gelang es Zetkin, im März 1915 eine internatio­nale sozialisti­sche Frauenkonf­erenz in der Schweiz zu organisier­en. Sie wurde daraufhin als Landesverr­äterin verfolgt.

Wenn heute an die Einführung des Frauenwahl­rechts vor 100 Jahren erinnert wird, müssen alle Strömungen der Frauenbewe­gung abgebildet und gewürdigt werden mit all ihren Unterschie­den, Konflikten und Widersprüc­hen. Eine maßgeblich­e Strömung einfach auszublend­en, ist eine parteipoli­tisch geprägte Geschichts­schreibung und Vereinnahm­ung, die dem Mut und den Errungensc­haften dieser Frauen nicht gerecht wird. Wie es anders geht, zeigt die sehenswert­e Ausstellun­g »Damenwahl: 100 Jahre Frauenwahl­recht« im Historisch­en Museum in Frankfurt am Main. Sie zeigt die ganze breite der Bewegung für das Frauenwahl­recht – inklusive des »Freundinne­npaares Rosa Luxemburg und Clara Zetkin«.

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