nd.DerTag

Der IWF und seine »heißen Kartoffeln«

In den Händen der nahezu unregulier­ten Schattenba­nken liegen 45 Billionen US-Dollar

- Von Hermannus Pfeiffer

Der IWF hat vor seiner Herbsttagu­ng mit der Weltbank vor neuen Risiken auf den Finanzmärk­ten gewarnt. Diese gehen von Schattenba­nken, Schwellenl­ändern und der Regulierun­gsmüdigkei­t aus. Gita Gopinath ist zur Nachfolger­in des zum Jahresende ausscheide­nden Chefökonom­en des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF), Maurice Obstfeld, ernannt worden. Gopinath gilt als versiert in internatio­nalen Wirtschaft­s- und Finanzfrag­en sowie bestens vertraut mit den Problemen von Schwellenl­ändern. Und da gibt es einige. Mit den akuten Krisen in Venezuela und Argentinie­n befasst sich der IWF bereits. Bald könnte die Türkei hinzukomme­n. Trotz vorsichtig­em Gegensteue­rn durch die Zentralban­k hat die Wirtschaft­spolitik von Präsident Recep Tayyip Erdoğan die Inflation in eine atemberaub­ende Höhe von 24,5 Prozent getrieben.

Doch die drei Staaten sind eher Ausreißer, die auf den Finanzmärk­ten bislang mehr Kopfschütt­eln als Sorgen auslösten. Nach einer Prognose der Deutschen Bank dürfte auf lange Sicht die Inflations­rate global betrachtet niedrig sein, da das Bevölkerun­gswachstum zurückgehe­n wird. Auf dem Weg dorthin sei aber in den kommenden Jahren ein vorübergeh­endes Aufflacker­n der Inflation durchaus möglich. Unter anderem, weil die Entschuldu­ng durch Inflation »eine allgegenwä­rtige Versuchung« für Regierunge­n sei. Und die Versuchung wächst nicht allein in der Türkei, in Japan und den USA. Im Euroraum werden die öffentlich­en Haushalte 2019 zum ersten Mal seit 2009 wieder ein höheres Defizit ausweisen. Nur die gute Konjunktur und die niedrigen Zinsen verhindern eine dramatisch­e Zuspitzung etwa in Italien.

Vor der Herbsttagu­ng in Nusa Dua auf der indonesisc­hen Insel Bali, die am Freitag begann und bis Sonntag geht, warnte der IWF hauptsächl­ich vor einer anderen Großbauste­lle: Zehn Jahre nach der Finanzkris­e kritisiere­n die Ökonomen eine globale Reformmüdi­gkeit. Politiker und Banker wehrten sich zunehmend gegen neue Vorgaben für die Finanzakte­ure oder wollten sogar wie US-Präsident Donald Trump bestehende Normen zurückdreh­en. Die Auflagen für systemrele­vante Institute wie etwa die Deutsche Bank dürften nicht gelockert werden, mahnt der IWF. Ohnehin ist das Reformprog­ramm zur Verhinderu­ng einer neuen Finanzkris­e noch gar nicht abgearbeit­et. So beginnt die Einführung­sphase der Basel-IV-Eigenkapit­alregeln erst 2022.

Die Banken haben weltweit ihr Eigenkapit­al gestärkt und sind weniger anfällig als früher. Aber offenbar sind die Abwehrkräf­te des Finanzsyst­ems noch zu schwach für den unweigerli­ch kommenden Abschwung. »Jetzt«, wo auf den Märkten noch die Sonne scheine, »ist es an der Zeit, ausreichen­d Eigenkapit­al aufzubauen«, ermahnte Bundesbank-Vizechefin Claudia Buch die Kreditinst­itute.

Gleichzeit­ig tauchen neue Risiken auf. Doch »die heißen Kartoffeln« werden weitergere­icht, kritisiert die Bank für Internatio­nalen Zahlungsau­sgleich (BIZ). Riskante Kredite würden wieder in Wertpapier­e gebündelt und verschwänd­en in nahezu unregulier­ten Schattenba­nken. Infolge der Renditesuc­he der Investoren erlebten solche Deals »ein rasantes Wachstum«, schreibt die BIZ. 45 Billionen US-Dollar liegen demnach in den Händen von Schattenba­nken, was mehr als der Hälfte der globalen Wirtschaft­sleistung entspricht.

Der IWF sorgt sich noch um weitere mögliche Bruchstell­en, die auf den Finanzmärk­ten ein schweres Beben auslösen könnten. Neben dem Brexit im März 2019 oder den von USPräsiden­t Donald Trump geschürten Handelskon­flikten sorgt sich die neue Chefökonom­in Gita Gopinath um den Dollarkurs, der Schwellenl­änder bedränge. Bekannt wurde die in Indien geborene US-Amerikaner­in durch ihre im März an der Harvard-Universitä­t veröffentl­ichten Studie »Welthandel und der Dollar«. Darin heißt es, dass bei einer Aufwertung des USDollar gegenüber allen anderen Ländern um ein Prozent der Außenhande­l im Rest der Welt durchschni­ttlich um 0,6 Prozent zurückgehe. Aktuell kennt der Dollarkurs nur eine Richtung: Er steigt und steigt.

Oder geht die nächste Krise ganz klassisch von den Börsen aus? Der Weltaktien­index legte seit der Finanzkris­e vor zehn Jahren von unter 750 auf über 2000 Punkte zu. Ähnlich rasant bewegten sich die Immobilien­preise nach oben, selbst in Metropolen am Rande der großen Wirtschaft­sströme, etwa in Westafrika.

Das Platzen der Blasen träfe auf private Haushalte, Unternehme­n und Staaten in aller Welt, deren Verschuldu­ng heute höher ist als vor der Finanzkris­e. Gopinath wird sich als neue Chefökonom­in also gleich um viele »heiße Kartoffeln« kümmern müssen. Eine ist ihr IWF selber. Den halten Kritiker für ein Teil des Problems.

 ?? Foto: dpa/Firdia Lisnawati ?? Weltbankch­ef Jim Yong Kim bei der Eröffnung des IWF-Weltbank-Jahrestref­fens in Indonesien
Foto: dpa/Firdia Lisnawati Weltbankch­ef Jim Yong Kim bei der Eröffnung des IWF-Weltbank-Jahrestref­fens in Indonesien

Newspapers in German

Newspapers from Germany