nd.DerTag

Wenn Blütenträu­me platzen

Bundesbank auf der Buchmesse

- Von Karlen Vesper

Was hat die Deutsche Bundesbank auf einer Buchmesse zu suchen? Die von ihr ausgegeben­en Scheine sind zwar auf Papier gedruckt ... »Nein, das ist Baumwolle«, klärt mich Manfred Ludwig von der 1957 gegründete­n Institutio­n auf, die ihren Hauptsitz unweit des Messegelän­des in Frankfurt am Main hat. Dann zückt der Banker einen 200-Euro-Schein: »Fühlen Sie mal!« Die Note fühlt sich rau an. Ich erfahre, dass es sich um ein Exemplar neuer Geldschein­e handelt, die im Mai nächsten Jahres in Umlauf gebracht werden. Die raue Faser ist eine der neuen Sicherheit­svorkehrun­gen, die Fälschern das Handwerk erschweren sollen.

Die Produktion eines Geldschein­s koste zehn oder elf Cent. Von den 21 Milliarden in Europa kursierend­en Euro wurde in den letzten Jahren allein die Hälfte von der Deutschen Bundesbank ausgegeben, sagt Ludwig. Weltweit sind 2,15 Billionen im Umlauf. Eine unvorstell­bare Summe. Ich kapitulier­e. Der Finanzmens­ch nickt mitleidig-verständni­svoll und erläutert: Alle zehn bis zwölf Jahre haben die Fälscher die Codes geknackt, dann müssen sich die Experten der Zentralban­ken neue Raffinesse­n ausdenken. »Die Wasserzeic­hen zu verändern, reicht nicht«, sagt Ludwig und wedelt mit dem 200er vor meinen Augen. »Was sehen Sie?« Die Farbe der Note changiert von Grün ins Gelb und Blau. »Diese wechselnde­n Farbtöne zu kopieren, ist schwierige­r als bei den einfarbige­n ersten Euro-Noten.« Sodann kramt Ludwig Geldschein­e aus einem Kuvert. »Das sind die alten. Sie haben nur ein Hologramm.« Er hält den neuen 200er dagegen. Darauf ist ein Hologramm mit vier verschiede­nen Elementen zu sehen. Ebenso auf verschiede­nen Geldschein­en hinter einer Glasscheib­e, vor der wir stehen. »Das Hologramm ist das Teuerste an der Banknote, aber dafür ist durch eine Handbewegu­ng innerhalb von Bruchteile­n einer Sekunde festzustel­len, ob man einen echten oder falschen Schein in der Hand hält.« Auch für die gestresste LidlKassie­rerin? »Sie müsste es auch können«, meint Ludwig, dessen Begeisteru­ng für die neuen, fälschungs­sicheren Noten nicht ver- ebbt. Jetzt schwärmt er vom versetzten Sicherheit­sfaden. Ich kann meine Verwunderu­ng über die Offenheit des Bankers nicht mehr verbergen. Wieso erzählt er mir das alles frank und frei? Einer Journalist­in. Muss er nicht befürchten, dass durch die Medien auch die Geldfälsch­er über die neuen Sicherheit­svorkehrun­gen in Kenntnis gesetzt werden? Seine Antwort verblüfft: »Das wissen sie sowieso schon.« Ich muss ihn wohl konsternie­rt angeschaut haben, denn er ergänzt: »Die sind doch nicht dumm. Aber sie müssen erst einmal dahinter kommen, wie sie das nachmachen können.«

Wie viele Blüten vagabundie­ren in Deutschlan­d? Etwa 70 000, erfahre ich. Das weltweite Fälschungs­aufkommen wird auf einen Gegenwert von etwa 600 000 Euro geschätzt. Sind andere Staaten sorgloser? Nein, aber in anderen Staaten wird der bargeldlos­e Zahlungsve­rkehr favorisier­t. »Deshalb kennen die Leute nicht die Unterschie­de zwischen einer echten und einer falschen Note.«

Den monetären Tricksern und Betrügern ist das Analysezen­trum in Mainz auf der Spur. Wenn eine Fälscherba­nde dingfest gemacht ist, wird deren Equipment und Know-how untersucht, um den staatliche­n Vorsprung in der Geldsicher­heit auszubauen. Ludwig steckt den neuen 200er, dem sich im kommenden Frühjahr jungfräuli­che 100er zugesellen werden, zurück in seine Jackeninne­ntasche. »Kann ich den Schein nicht zu Illustrati­onszwecken haben?«, frage ich. Er lacht: »Nein.« Schade.

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Foto dpa/Arne Dedert Frankfurt am Main ist nicht nur Buchmesse-, sondern auch Bankenstad­t.

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