Nazis im Ring
Robert Claus forscht zu Rechtsextremismus im Sport und sieht im Kampfsport eine Professionalisierung der Gewalt
Wie ordnen Sie als Beobachter der Kampfsportszene den »Kampf der Nibelungen« ein, der am Wochenende in Ostritz stattfindet? Ist der Titel Programm?
Der KdN ist eine sehr gefährliche Veranstaltung: In der Eigenwerbung werden Tradition, Naturverbundenheit, Härte und Disziplin gegen das verweichlichte demokratische System beschworen, eine klassisch ex-trem rechte Losung. Damit einhergehend hat der NS-Straight-Edge-Flügel großen Einfluss auf die Veranstaltung, man versucht zum Beispiel, Drogen abzuschwören, und hat mit »Wardon« ein eigenes Label hierzu gegründet. Letztlich stehen der KdN und die Szene dahinter symbolisch für die Professionalisierung rechter Gewalt im organisierten Kampfsport.
Die Kampfsportszene ist aber nicht generell rechtslastig? Verschiedene Disziplinen organisieren sich entweder als Vereine oder auf dem freien Markt, tragen teils mehrfache Meisterschaften mit parallelen Verbänden aus. Und so heterogen wie die Organisationsform ist auch die politische. Kampfsport ist nicht generell rechts, das zu behaupten wäre Quatsch.
Ist der KdN also eher eine kleine Szeneveranstaltung?
Leider nicht mehr, so fing sie 2013 an. Damals fand er zum ersten Mal in der Pfalz statt, dann jährlich in Nordrhein-Westfalen und Hessen – stets geheim organisiert. Die ersten Events besuchten nur 100 bis 200 Menschen, auch das Ambiente war nicht sonderlich professionell. Doch die Veranstaltung hat sich stark weiterentwickelt und kommerzialisiert: 2017 besuchten knapp 600 Nazis das Event im Sauerland, zudem wurde die Marke »Kampf der Nibelungen« offi- ziell registriert. Dieses Jahr findet das Event dreimal statt: Los ging es am 20. April im Rahmen des extrem rechten Musikfestivals »Schild und Schwert« ebenfalls in Ostritz, jetzt folgt an diesem Sonnabend das reine Kampfsportevent und Anfang No- vember gibt es wieder das Festival. Die Szene hat erkannt, dass sich der Kampfsport neben dem Rechtsrock zur Rekrutierung von Nachwuchs, zur Vernetzung und Finanzierung der Szene eignet. Es ist gut möglich, dass die Besucherzahl vierstellig wird. Ist es Zufall, dass jeweils Ostritz der Veranstaltungsort ist? Dort fand ja das Festival »Schild und Schwert« genau am Jahrestag von Hitlers Geburtstag statt.
Es gibt eine klare Strategie: Zum einen hat sich das Gelände im Ort für größere Veranstaltungen bewährt, man kann auf die Infrastruktur der gut organisierten sächsischen Naziszene zurückgreifen. Und die räumliche Nähe zu Osteuropa ist auch kein Zufall. Die dortigen Hooliganszenen sind europaweit führend und stehen durchweg weit rechts. Gegenprotest ist jedoch angekündigt.
Wie werden die Kämpfe ablaufen? Anfang November wird der KdN den Freitagabend des »Schild & Schwert«Festivals bespielen. Dann soll es erstmals in Deutschland einen Teamfight geben. Damit wurde bislang nur in Osteuropa experimentiert. Dabei treten Dreierteams in einem Ring in Mixed Martial Arts, man könnte sagen Disziplinenmischung, gegeneinander an. Rechtlich ist das eine Grauzone, da der Bundesgerichtshof solche Kämpfe 2015 indirekt unter hohe Auflagen gestellt hat. Meines Wissens sind Kontrollen bislang jedoch nicht vorgesehen, der Gesetzgeber ist hier aufgerufen, zu handeln.
Sie haben ein Buch über Hooligans geschrieben. Erwarten Sie ein paar alte Bekannte dort?
Die Dortmunder Neonaziszene ist eine tragende Gruppe in der Organisation. Hinzu kommt der extrem rechte deutsch-russische Hooligan Denis Nikitin, der Gründer des Kampfsportlabels »White Rex«. Er hat schon früher auf den Events gekämpft, Reden gehalten und wurde dann Sponsor. Mittlerweile ist der Name seiner Firma auf den Plakaten größer als der Titel der Veranstal- tung. Er ist eine Schlüsselfigur der extrem rechten Hooliganszene in Europa, hat Kampfsportveranstaltungen in mehreren Ländern aufgebaut. Wir sprechen bei rechten Hooligans also nicht mehr über schlecht organisierte Straßenschläger, sondern über ein professionelles internationales Kampfsportnetzwerk.
Aus welchen deutschen Hoolszenen werden die Kämpfer kommen? Extrem rechte Hooligans aus Dortmund, Aachen, Chemnitz und Cottbus gehören zum engen Kreis, sie sind immer dabei. Auch sonst reisen Neonazis und rechte Hooligans bundesweit an. Dabei trainieren bei Weitem nicht alle in extrem rechten Gyms. Leider verharmlosen viele Anbieter die Teilnahme rechter Hooligans an ihren Trainings oder wollen es nicht sehen. Auch internationale Kämpfer aus Frankreich, Russland, der Schweiz und Tschechien haben schon teilgenommen. Da Nikitin enge Verbindungen nach Kiew hat, wo derlei Veranstaltungen öfter stattfinden, sind ukrainische Hooligans zu erwarten.
Wenige Wochen nach den maßgeblich von rechten Hools organisierten Demos in Chemnitz treffen sich also viele Hundert Rechte erneut in Sachsen, ohne dass das jemanden zu interessieren scheint?
Der KdN zielt darauf ab, regelmäßig mehr als 1000 Zuschauer anzuziehen und sich mit den Teamfights ein Alleinstellungsmerkmal aufzubauen. Damit droht eine nationalsozialistische Organisation in die Top Ten der Kampfsportveranstalter in Deutschland vorzustoßen. Daran kann eine demokratische Gesellschaft kein Interesse haben. Doch bislang haben sich sowohl Sportpolitik als auch die Polizei und die Kampfsportlandschaft sehr bedeckt gehalten.