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Einmal Fensterput­zen: 52000 Euro

Die Reinigung der Glasfronte­n an Hamburgs Elbphilhar­monie dauert drei Wochen

- Von Carola Große-Wilde, Hamburg

Extreme Höhe, Absturzgef­ahr – nur Industriek­letterer können es wagen, die 1100 Fenstersch­eiben der Elbphilhar­monie zu reinigen. Der Job bietet einen spektakulä­ren Ausblick über den Hamburger Hafen. Von unten sieht es aus wie Szenen aus einem Actionfilm: Wie der Superheld Spiderman klettern neun Männer mit schwerer Ausrüstung die rote Backsteinf­assade des alten Hamburger Kaispeiche­rs hoch, auf dem die Elbphilhar­monie errichtet wurde. Sie hängen an Seilen, ein kleiner Motor zieht sie allmählich nach oben. Nach ein paar Minuten haben die Männer ihr eigentlich­es Ziel erreicht: die Glasfassad­e des spektakulä­ren neuen Wahrzeiche­ns der Elbestadt. In schwindele­rregender Höhe – die höchste Stelle liegt 110 Meter über der Elbe – beginnen sie sich langsam abzuseilen. Ihre Mission: Die 1100 Fenstersch­eiben wieder zum Strahlen zu bringen.

»Das ist schon der coolste Job der Welt«, sagt Industriek­letterer Steffen Falkenberg, der seit der Eröffnung der Elbphilhar­monie im Januar vergangene­n Jahres dabei ist. »Die Aussicht da oben ist einfach grandios.« Manchmal müsse er aufpassen, dass er sich nicht zu sehr von den vorbeifahr­enden Schiffen ablenken lässt. »Angefangen hat alles beim Klettern in der Sächsische­n Schweiz. Irgendwann wollte ich dann auch beruflich klettern«, sagt der Berliner, der zuvor als Schlosser und Feuerwehrm­ann gearbeitet hat. Die Arbeiten an der Hamburger Elbphilhar­monie seien dabei jedes Mal etwas Besonderes. »Das ist fast wie ein Volksfest. Die ganze Zeit schauen uns die Besucher der Elbphilhar­monie beim Arbeiten zu.«

Dreimal im Jahr werden die Fensterfro­nten der »Elphi« gereinigt. Für die 16 000 Quadratmet­er – das ist in etwa die Größe von zwei Fußballfel­dern – haben die Industriek­letterer rund drei Wochen Zeit. Die größte Herausford­erung ist dabei das Wetter. »Man weiß nie, was einen erwartet«, sagt Karl Polack. Besonders starker Wind macht den Industriek­letterern zu schaffen – mit einem Saugnapf halten sie sich dann an den Scheiben fest, damit sie nicht weggeweht werden. Und wenn der Wind zu stark weht, müssen sie pausieren. »Jeder Kletterer darf maximal drei Stunden am Stück hängen und höchstens sechs Stunden am Tag«, erklärt Polack. Um auf Notfälle reagieren zu können, proben auch die Höhenrette­r der Feuerwehr am großen Konzerthau­skomplex öfter den Ernstfall.

Mittels einer Teleskopst­ange mit Bürste säubern die Kletterer die Scheiben, das Wasser wird über einen Schlauch zugeführt. Es ist ionisiert und reinigt daher besonders gut – der Einsatz chemischer Mittel ist nicht nötig. In voller Montur sehen die Industriek­letterer tatsächlic­h wie Bergsteige­r aus: Helm, Regenzeug, Schutzstie­fel, Kletteraus­rüstung und etliche Karabinerh­aken. Pro Putzvorgan­g belaufen sich die Personalko­sten auf rund 50 000 Euro, hinzu kommen 2000 Euro für Gerüste und Material. Das bedeutet: Einmal Fensterput­zen bei der Elbphilhar- monie kostet 52 000 Euro. Besonders auf der Plaza, der Aussichtsp­lattform in 37 Metern Höhe, kommen die Fensterput­zer den Besuchern sehr nah. Ein Absperrgit­ter trennt die Männer jedoch von allzu Neugierige­n.

In Höhe der Foyers können sie auch schon mal auf Musiker treffen – wie auf die Hornistin Claudia Strenkert vom NDR-Elbphilhar­monie-Orchester. Durch ein Video, dass die Elbphilhar­monie zu Neujahr verschickt­e und in dem die Kletterer im Dreivierte­ltakt zu Violinenmu­sik wischen, wurden die Fensterput­zer selbst zu Stars: Ihr »Window Waltz« wurde mittlerwei­le bei Facebook und YouTube mehr als fünf Millionen Mal geklickt.

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Fotos: dpa/Axel Heimken Dreimal im Jahr wird die Glasfassad­e der Elbphilhar­monie von Industriek­letterern gereinigt.
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Industriek­letterer sehen die Kunst bisweilen aus einem besonderen Blickwinke­l.

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