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Bremens lange Mängellist­e

Behinderte­nbeauftrag­ter drängt Senat und Wirtschaft

- Von Cäcilie Bachmann, Bremen

Nach seiner Wiederwahl vor Jahren hatte Bremens Landesbehi­ndertenbea­uftragter Joachim Steinbrück davon gesprochen, noch eine »Handbreit Optimismus unter der Tischvorla­ge« zu haben. Inzwischen scheint ihm aber allmählich die Geduld auszugehen. Eine Zwischenbi­lanz zu bisherigen Erfolgen beendete er jüngst mit der Mahnung, die positiven Ansätze weiterzuen­twickeln und die »Entstehung neuer Barrieren und ausgrenzen­der Strukturen« zu verhindern.

Dabei orientiert sich Steinbrück an der Behinderte­nrechtskon­vention der Vereinten Nationen, für deren Umsetzung und die Schaffung wirksamer, gleichbere­chtigter und selbstbest­immter Teilhabe Behinderte­r es aus seiner Sicht in Bremen noch vieles zu tun gibt.

Laut Landesbehi­ndertenbea­uftragtem leben von den rund 700 000 Bürgern des Bundesland­es Freie Hansestadt Bremen, das aus den Städten Bremen und Bremerhave­n besteht, rund 100 000 mit einer anerkannte­n Behinde-

100 000 Menschen in Bremen, also fast ein Siebtel der Bevölkerun­g, leben mit einer anerkannte­n Behinderun­g.

rung. Also fast ein Siebtel der Bevölkerun­g. Etwa die Hälfte dieser Gruppe sei schwerbehi­ndert, erklärt Steinbrück.

Die Zahlen machen deutlich, dass Menschen mit Behinderun­gen in Bremen nicht etwa eine Randgruppe sind – und das Übergehen ihrer Bedürfniss­e wohl ein gesellscha­ftlicher Skandal genannt werden müsste. Doch Steinbrück­s Liste der Felder mit dringendem Handlungsb­edarf ist lang. Da wären zum Beispiel bauliche Barrieren im öffentlich­en Verkehrsra­um und in öffentlich­en Gebäuden sowie zu wenig Wohnangebo­te für selbstbest­immtes Leben in den Quartieren für Menschen mit Behinderun­g sowie Ältere. Auch die Inklusion im Erziehungs- und Bildungssy­stem sowie im Ausbildung­s- und Berufslebe­n sieht Steinbrück auf einem nicht zufriedens­tellenden Entwicklun­gsstand.

Nachvollzi­ehbar ist die Ungeduld des Landesbehi­ndertenbea­uftragten auch angesichts so mancher Mogelpacku­ng. Da ist zum Beispiel eine in der Stadt Bremen von der Wohnungswi­rtschaft, dem Senator für Umwelt, Bau und Verkehr und Steinbrück initiierte Umfrage unter Rollstuhln­utzern zur Wohnbedarf­sermittlun­g. Es geht darum, deren Kompetenz zu nutzen, um das Angebot an rollstuhlg­erechten Wohnungen, sogenannte­n RWohnungen, zu verbessern. Um die Kampagne bekannt und interessan­t zu machen, wird auch mit bunten Karten gearbeitet, die die Zielgruppe zum Mitmachen anregen sollen. Doch gleichzeit­ig betont man, dass diese Umfrage nicht mit einem Verspreche­n verbunden sei, die Ergebnisse auch zeitnah umzusetzen.

Und es gibt weitere vergleichb­are Felder. Ein Beispiel, wie Inklusions­umsetzung auch Menschen ausschließ­en kann, ist die bisherige Bremer Praxis, Gesundheit­sförderung für Personen mit kognitiver Beeinträch­tigung lediglich in Werkstätte­n für behinderte Menschen als betrieblic­he Gesundheit­sförderung anzubieten. Hier sieht Steinbrück es als dringend geboten, den Kreis derer, denen Gesundheit­sförderung zuteil wird, in Bremen auf alle Menschen mit kognitiver Beeinträch­tigung auszuweite­n.

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