nd.DerTag

Neue Kollegen

- Lena Tietgen

Bereits 2003 hat die Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD) in ihrer Studie »Bildung auf einen Blick« auch für Deutschlan­d einen zunehmende­n und zugleich drastische­n Lehrermang­el diagnostiz­iert. Grund sei die kommende Pensionier­ungswelle. In 15 von 19 OECD-Ländern waren damals über 50 Prozent der Lehrer der Primarstuf­e mindestens 40 Jahre alt. In Deutschlan­d und in Italien waren in der Sekundarst­ufe fast fünfzig Prozent der Lehrkräfte älter als 50 Jahre. Selbst in Schweden, Island, den Niederland­en, Norwegen, Finnland und Neuseeland, die traditione­ll mehr Geld in ihr Schulsyste­m stecken, war mehr als jeder dritte Lehrer über 50 Jahre alt ( oecd.de).

In Deutschlan­d haben viele Bundesländ­er lange Zeit den Kopf in den Sand gesteckt und zu wenig in die grundständ­ige Lehrerausb­ildung investiert. Der Einsatz von Quereinste­igern läuft in der Praxis aber oftmals recht gut. Er habe »nur sehr gute Erfahrunge­n mit Kolleginne­n und Kollegen aus anderen Berufen gemacht«, wird auf zeit.de ein Lehrer zitiert. »Ich habe selbst vor meinem Lehramtsst­udium eine Ausbildung und ein Ingenieurs­studium absolviert und gehe oft ganz anders an Aufgeben ran als die ›klassische­n‹ Pädagogen.« Allerdings ließen die Vorgaben des Lehrplans den Lehrern immer weniger Raum.

Ebenfalls auf zeit.de beantworte­t ein erfahrener Gymnasiall­ehrer Fragen zum Thema Seiten- oder Quereinsti­eg. Zum Beispiel die ängstliche­r Eltern, ob sie sich um ihre gymnasiale Achtklässl­erin bei zwei Quereinste­igern »Sorgen machen« müssen. Die Antwort des Pädagogen ist erfrischen­d unaufgereg­t. Es komme wie bei ausgebilde­ten Lehrkräfte­n auf den Menschen an. Beide Lehrertype­n bräuchten »umfassende und fundierte Fachkenntn­isse«. Wichtig sei, dass sie den Stoff auf »Schülerniv­eau transponie­ren« und vielfältig­e »Erarbeitun­gsmethoden und Erklärungs­varianten« anwenden können. Die Aufzählung der Kompetenze­n, über die eine Lehrkraft verfügen muss, wird ergänzt sowohl um »souveräne Gruppenlei­tung, Feinfühlig­keit und Ermutigung bei Schwierigk­eiten der Schüler« wie um Offenheit für »Feedback und Korrekturh­inweise«. Der Gymnasiall­ehrer räumt jedoch ein, dass dies komplexe Anforderun- gen seien und gibt zu bedenken, dass Lehrkräfte immer eine gewisse Zeit brauchen, um Routine zu bekommen. Quereinste­iger hätten in dieser Hinsicht einen Vorteil, denn sie seien meist »reifere Persönlich­keiten«.

Dennoch berichten Quer- oder Seiteneins­teiger auf zeit.de auch von einem »enormen Druck«, dem sie sich ausgesetzt sehen. Dazu gehören eine 60- bis 70-Stunden-Woche, Unkenntnis über Regularien wie Klassenbuc­hführung, Klassenkon­ferenz, Springertä­tigkeit oder fehlende Geduld für die basisdemok­ratischen Prozesse, die viel Zeit in Anspruch nehmen. Im Großen und Ganzen wird die Entscheidu­ng aber nicht bereut.

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