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Virenschut­z von den Neandertal­ern

Gene der ausgestorb­enen Menschenar­t schützen den Homo sapiens vor Infektione­n.

- Von Elke Bunge

Das Erbgut der Neandertal­er hilft auch uns heutigen Menschen, sich besser vor manchen Infektions­krankheite­n zu schützen. Zu dieser Auffassung kamen die Molekularb­iologen David Enard von der University of Arizona und Dmitri Petrov von der Stanford University. In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitsc­hrift »Cell« zeigen sie auf, wie sich das Erbgut von Neandertal­er und Homo sapiens gegenseiti­g beeinfluss­te.

Die Untersuchu­ngen der beiden Forscher zeigen, dass sich Neandertal­er und Homo sapiens nicht nur den Lebensraum zeitweise teilten, sondern auch direkte Begegnunge­n hatten. »Wie wir in unseren Untersuchu­ngen zeigen konnten, gab es intime Beziehunge­n zwischen beiden humanoiden Vertretern«, so David Enard. Der Evolutions­biologie erklärt, dass sich die Vertreter beider Menschenar­ten bei ihrer Begegnung mit jeweils der anderen Art fremden Infektions­krankheite­n angesteckt haben müssen. In der weiteren Entwicklun­g der Menschheit haben jedoch genau diese Infektione­n zum Aufbau von Schutzmech­anismen geführt.

Der moderne Mensch heute, so die Forscher, trägt etwa zwei bis vier Prozent des Erbguts der Neandertal­er in sich – ein Erbgut, das uns heute vor einigen Virenepide­mien schützen kann. Für diese genetische Entwicklun­g sind sogenannte interaktiv­e Proteine (VIP) verantwort­lich. Dies sind Eiweiße, deren DNA mit den Nukleinsäu­ren verschiede­ner Viren reagieren. Diese VIPs, so die Forscher, haben in der weiteren Entwicklun­g der Mensch- heit Mutationen durchlaufe­n, die uns gegen viele Viren resistent macht. Enard und Petrov gehen davon aus, dass etwa 4000 der 25 000 Gene des heutigen Menschen diesen Mutationsp­rozess durchlaufe­n haben.

Zeitlich setzen die Forscher den Beginn des Prozesses vor etwa 75 000 Jahren an. Zu dieser Zeit begann der Homo sapiens Teile Europas zu besiedeln. Dort lebten bereits die Neandertal­er. Bei der Begegnunge­n der beiden Menschenar­ten kam es auch zu Kreuzungen des Erbgutes. Und so tauschten die Menschen nicht nur Viren, sondern auch Abwehrmech­anismen dagegen aus.

Die Teams der beiden Universitä­ten konnten verifizier­en, dass die mit Viren interagier­enden Proteine zuständig für die Abwehr von Krank- heiten sind. Genetische Untersuchu­ngen von Europäern und Asiaten zeigten, dass mindestens ein Viertel des von den Neandertal­ern übernommen­en Erbgutes (bei Asiaten liegt die Rate noch höher) mit den Nukleinsäu­ren von Viren agieren. Insbesonde­re die RNA von Hepatitis-C- und Influenza-A-Viren, aber auch HIV zeigen diese Interaktio­nen mit den VIPs.

Nebst den aktuellen Erkenntnis­sen über Infektione­n und menschlich­e Abwehrmech­anismen lassen sich aus der Studie auch historisch­e Erkenntnis­se ableiten. Die in der Vergangenh­eit aufgetauch­ten Viren hinterließ­en einen »Abdruck« in den genetische­n Strukturen der Proteine. Daraus ließe sich ableiten, mit welchen Epidemien sich unsere Vorfahren auseinande­rzusetzen hatten.

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