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Die Fünfte Republik

- Ralf Klingsieck, Paris

Mit einem Besuch am Grab und im Haus von General de Gaulle in Colombey-les-Deux-Eglises und einer Rede auf dem Festakt des Verfassung­srates in Paris hat Präsident Emmanuel Macron vor einer Woche den 60. Jahrestag der Inkraftset­zung der Verfassung der Fünften Republik gewürdigt. Dabei betonte er, diese Verfassung sei ein »solider Sockel«, müsse aber »stetig modernisie­rt« werden, um »auch weiterhin politische Stabilität zu sichern«. So kündigte er für Anfang kommenden Jahres eine Verfassung­sänderung an, bei der unter anderem die Zahl der Abgeordnet­en und Senatoren reduziert, die Arbeit des Parlaments beschleuni­gt und das Mehrheitsw­ahlsystem durch »etwas Verhältnis­wahlrecht ergänzt« werden soll.

Innerhalb von 60 Jahren hat es 24 Verfassung­sänderunge­n in Frankreich gegeben, die wesentlich zur Langlebigk­eit der Fünften Republik beigetrage­n haben dürften. Ihren Ursprung hatte diese 1958 in einer schweren politische­n Krise angesichts des Krieges in Algerien und eines drohendes Putsches durch Militärs, die mit allen Mitteln die Unabhängig­keit der Kolonie ver-

Das französisc­he Präsidialr­egime gibt dem Staatsober­haupt mehr Macht als das der USA.

hindern wollten. In dieser Situation wandten sich führende Politiker des Landes an Charles de Gaulle, der seit zehn Jahren in Colombey im Ruhestand lebte und an seinen Memoiren schrieb, damit er – wie schon einmal 1940 im Londoner Exil – die Geschicke Frankreich­s in die Hand nehmen sollte. Der General willigte unter der Bedingung ein, dass er freie Hand für eine neue Verfassung bekäme. Kern dieser wurde das Präsidialr­egime, das dem Staatsober­haupt mehr Macht und Kompetenze­n als in anderen demokratis­chen Staaten – auch viel mehr als in den USA – gab. Damit wurde die Instabilit­ät der Vierten Republik beendet, wo angesichts der je nach Thema ständig wechselnde­n Koalitione­n im Parlament häufig eine Regierung auf die andere folgte.

Die Verfassung wurde per Volksentsc­heid angenommen und am 4. Oktober 1958 in Kraft gesetzt. Über einen weiteren Volksentsc­heid 1960 setzte General de Gaulle durch, dass der Präsident direkt von den Franzosen und nicht mehr vom Parlament gewählt wird. Das Präsidialr­egime hat seinerzeit der opposition­elle Abgeordnet­e François Mitterrand als »permanente­n Staatsstre­ich« gegeißelt, doch als er selbst Präsident wurde, wusste er diese Machtfülle sehr wohl zu schätzen, ebenso seine Nachfolger. Linke Kräfte wie die Kommuniste­n und Mélenchons Bewegung La France insoumise fordern hingegen dessen Ablösung und eine Sechste Republik.

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