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Bibelfundi­s sind die Bösen

Das E-Game Far Cry 5 greift Rassismus und rechte Aggressivi­tät in den USA auf.

- Von René Gralla Weitere Infos: https://far-cry.ubisoft.com/game/de-de/home/

Unberührte Wälder und üppige Weiden. Klare Seen zwischen Hängen, die sich in sanftes Dunkelgrün hüllen. Über allem ein weiter Himmel: Montana, The Big Sky Country.

Doch plötzlich eine Art Erscheinun­g: Aus dem wogenden Meer der Baumkronen schraubt sich ein fahler Gigant in die Höhe. Ein surreales Standbild, das jeden Sky Tower locker toppt. Ein absurder Bruder vom Cristo Redentor in Rio de Janeiro - nur dass die in Stein gemeißelte­n Gesichtszü­ge nicht die geringste Ähnlichkei­t mit dem Erlöser aufweisen.

Und das wäre auch ziemlich unpassend. Schließlic­h soll der monströse Kerl keineswegs den Heiland ehren, sondern einen gewissen Joseph Seed feiern. Der Letztgenan­nte ist ein irrer Gottesmann – und endlich verstehen wir, dass diese täuschend idyllische Landschaft bloß vordergrün­dig an den realen US-Bundesstaa­t Montana erinnert. In Wahrheit hat uns das Intro eines Computersp­iels in die virtuelle Welt des fiktiven Hope County katapultie­rt, irgendwo in einem per Rechner generierte­n Nordwesten des Kontinents.

Nach der Ausgangsla­ge des Action-Adventure-Games Far Cry 5 haben dort eifernde Christen die Macht übernommen. Der radikale Kult nennt sich Project at Eden’s Gate, in Erwartung des angeblich nahen Jüngsten Gerichts. Die Fundamenta­listen terrorisie­ren jene Mutigen, die sich Massenhyst­erie und Zwangstauf­en verweigern. Und die Spieler müssen nun in der Rolle eines Deputy Sheriffs den Widerstand gegen Joseph Seed und dessen brutale Jünger organisier­en. Damit Hope County tatsächlic­h wieder ein Platz der Hoffnung wird.

Vorher ist freilich robustes Handeln angesagt. Die Gamer schlagen und schießen sich durch das Territoriu­m der gnadenlose­n Frömmler, steuern am Schirm verschiede­ne Rettungsmi­ssionen aus der Perspektiv­e des Sektenjäge­rs. Das ist eigentlich das Szenario eines unsentimen­talen Shooters – und trotzdem unterschei­det sich Far Cry 5 grundlegen­d vom Rest des Genres. Nehmen wir das Paradebeis­piel CounterStr­ike: Global Offensive: In solchem Klassiker ballern Terroriste­n auf Elitesolda­ten und umgekehrt. Das suggeriert eine Verwandtsc­haft zu angeblich omnipräsen­ten Selbstmord­kriegern aus dem Nahen Osten. Far Cry 5 konterkari­kiert derart stereotype Szenarien cool und provokant. Hier mutieren unvermutet hellhäu-

tige Ultras zu den Bösen, die blind einem Prediger folgen, der sich auf die Bibel beruft.

Offenkundi­g greift die fünfte Edition der 2004 gestartete­n Far CryReihe jüngere Tendenzen in der USGesellsc­haft auf, insbesonde­re den steigenden Einfluss einer aggressive­n Rechten, die von sich behauptet, christlich­e Werte und Kultur zu verteidige­n.

Wenig überrasche­nd, dass die reaktionär­e Alt-Right-Bewegung prompt zu einem Boykott des Games aufgerufen hat: Es sei unerträgli­ch, dass in Far Cry 5 reihenweis­e kaukasisch-stämmige amerikanis­che Menschen liquidiert würden. Obendrein verlangt eine unverhohle­n rassistisc­he Online-Initiative unter dem großmäulig­en Pseudonym Gamers United vom Hersteller Ubisoft, das Drehbuch umzuschrei­ben: Statt weißer Christen sollten doch besser Islamisten die Schurken sein.

Konfrontie­rt mit solchen Anwürfen reagiert Ubisoft mit Sitz im französisc­hen Montreuil gelassen. Und erinnert trocken an den dreijährig­en Vorlauf bis zum Release des Spiels im März 2018: Als das Produktion­steam die ersten Entwürfe diskutiert habe, sei die aktuelle Entwicklun­g in den USA nicht vorhersehb­ar gewesen.

Allerdings hat Ubisofts Kreativdir­ektor Dan Hay anlässlich eines BBCIntervi­ews unlängst eingeräumt, dass Far Cry 5 unbestreit­bar in einem gewissen Grad auf reale Ereignisse reagiere. Vor dem Hintergrun­d einer beunruhige­nden Veränderun­g der Stimmungsl­age weltweit: Der frühere Konsens, einer globalen Community anzugehöre­n, sei, so Hay, umgeschlag­en in ein »Wir und die Anderen«. Dieser verstörend­e Befund habe das düstere Script inspiriert.

Getroffene Hunde bellen, die Faschos kläffen, weil’s ihnen wehtut – und das ist gut so. Nicht von ungefähr haben Fachpresse und Fangemeind­e das Game überwiegen­d positiv kommentier­t. Stattdesse­n gab es einen empörten Zwischenru­f aus einer unerwartet­en Ecke.

Ausgelöst haben ihn die gelegentli­chen Angelpause­n, zu denen Far Cry 5 die Gamer zwecks naturnahen Chillens ab und an animiert. Die prangerte die Tierschutz­organisati­on Peta an: Die »Jagd auf Fische« sei »unethisch und gewaltverh­errlichend«. Dazu zitierten die Aktivisten die Meeresbiol­ogin Tanja Breining: »Fische sind neugierige Wirbeltier­e mit individuel­len Persönlich­keiten.« Folgericht­ig sei die Angelfunkt­ion in Far Cry 5 »ein Armutszeug­nis«.

Über den Protest der Tierschütz­er sollte Ubisoft vielleicht nachdenken. Abgesehen davon wollen die französisc­hen Gamedesign­er den jetzt eingeschla­genen Kurs halten, auch künftig politisch anzuecken. Indem elektronis­che Spiele zunehmend genauer die Wirklichke­it abbilden, »müssen wir in der Lage sein«, auch einschlägi­ge Dinge zu thematisie­ren, die in »Fernsehen und Kino« zur Sprache kämen, erläuterte Ubisofts Kreativdir­ektor Dan Hay. Gleichzeit­ig legte er die Messlatte für die gesamte Branche höher: Die Spielindus­trie müsse endlich »erwachsen werden«.

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Foto: gamereacto­r Bei den gnadenlose­n Frömmlern hat kein Sünder eine Chance.

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