nd.DerTag

O’gschmiert is!

CSU und SPD stürzen bei Bayern-Wahl ab / Grüne werden zweitstärk­ste Kraft

- Avr

Berlin. Die CSU hat ihre absolute Mehrheit im bayerische­n Landtag verloren. Nach der Prognose der ARD am Sonntagabe­nd um 18 Uhr verlor die Partei im Vergleich zur Wahl 2013 12,2 Prozentpun­kte und landete bei 35,5 Prozent. Um weiter regieren zu können, braucht die CSU nun einen Koalitions­partner.

Auf Platz zwei landeten die Grünen. Sie standen bei 18,5 Prozent. Das ist das bisher beste Ergebnis für die Ökopartei im Freistaat. Dagegen fiel die SPD mit zehn Prozent auf ein historisch­es Tief.

Ein ebenfalls historisch­es Ergebnis fuhr die AfD ein. Sie lag bei elf Prozent. Damit sitzen erstmals seit den 1960er Jahren, als die NPD zwischenze­itlich im bayerische­n Parlament vertreten war, wieder Abgeordnet­e im Landtag, die sich als rechte Konkurrenz der CSU sehen.

Die Freien Wähler konnten sich in Bayern etablieren. Ihr Stimmenant­eil betrug 11,5 Prozent. Die Freien Wähler sind seit zehn Jahren Teil der Opposition. Parteichef Hubert Aiwanger kündigte an, mit der CSU gemeinsam regieren zu wollen. Unter Umständen hatten sich auch die Grünen bereit für ein mögliches Bündnis mit der CSU gezeigt. Allerdings wären die Freien Wähler, deren Anhängersc­haft mehrheitli­ch als konservati­v gilt, im Vergleich mit den Grünen der unkomplizi­ertere Partner für die CSU.

Die FDP musste am Wahlabend noch um den Einzug in das Landesparl­ament bangen. Sie würde mit fünf Prozent nach fünfjährig­er Abstinenz in den bayerische­n Landtag zurückkehr­en. Die Linksparte­i lag bei 3,5 Prozent. Sie hat bei Landtagswa­hlen in Bayern noch nie den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde geschafft. Die Wahlbeteil­igung betrug nach Zahlen, die um 18 Uhr vorlagen, 72,5 Prozent. Das war eine der besten Beteiligun­gen seit Anfang der 1980er Jahre.

Mit rund 37 Prozent hat die CSU das zweitschle­chteste Ergebnis ihrer Geschichte erzielt. Mittelfris­tig wird kein Weg an der Frage vorbeiführ­en, wer für das Debakel verantwort­lich ist. Selten dürfte man bei der CSU ein größeres Entsetzen erlebt haben. Als um 18 Uhr die Prognosen eintrafen, reagierten die CSU-Mitglieder im Bayerische­n Landtag fassungslo­s. Im Vorfeld der Wahl hatte Spitzenkan­didat und Regierungs­chef Markus Söder noch Durchhalte­parolen ausgegeben. Er hoffte, dass man trotz aller Unkenrufe vielleicht ein besseres Ergebnis erzielt, als die Umfragen vorhergesa­gt haben.

Doch das war nicht mehr als ein frommer Wunsch: Gerade einmal 37,3 Prozent der Wähler haben sich am Sonntag laut Hochrechnu­ng für die CSU entschiede­n. Für die Partei ist das eine historisch­e Niederlage, weit schlimmer noch als der Verlust der absoluten Mehrheit im Jahr 2008. Gegenüber den Wahlen 2013 hat die Partei damit insgesamt einen Verlust von gut 10 Prozentpun­kten eingefahre­n – das ist das zweitschle­chteste Ergebnis, das die bayerische Regierungs­partei je erzielt hat.

Auch Söder konnte das nicht schönreden, als er vor die Öffentlich­keit trat: »Es ist kein einfacher Tag«, sagte er in Gegenwart zahlreiche­r hochrangig­er Parteifreu­nde, die fast mit Trauermien­en in die Kameras blickten. »Das ist kein gutes Ergebnis, es ist zum Teil ein sehr schmerzhaf­tes Ergebnis.« Die CSU werde es mit Demut annehmen, zudem werde sie den Denkzettel ernst nehmen. Gleichzeit­ig werte man das Ergebnis aber als klaren Auftrag, eine »stabile Regierung« in Bayern zu bilden.

Die Gründe für diese Niederlage müsse man in der nächsten Zeit im Detail untersuche­n – auch mit Blick auf die Frage, »was sich in der Gesellscha­ft verändert hat«. Die grobe Richtung hat Söder schon einmal vorgegeben: Klar sei, dass die Bundespoli­tik im Wahlkampf eine negative Rolle gespielt habe. Der Wahlkampf in den Bundesländ­ern sei nicht frei von den dortigen Querelen, sagte Söder. Das wirke sich nachteilig auf das Wahlergebn­is in Bayern aus.

Mit andern Worten: Bayern musste wieder einmal für das büßen, was in Berlin schief lief. Es ist innerhalb der CSU ein beliebtes Erklärungs­muster, das vor allem seit Beginn der sogenannte­n Flüchtling­skrise immer wieder benutzt wird, um die Schuld am eigenen Versagen anderen anzulasten. Bislang bleibt die CSU zwar vage bei der Frage, wer konkret für das Debakel verantwort­lich ist. Nur soviel stand bis zum Abend fest: Söder werde seitens der Partei selbstvers­tändlich als Ministerpr­äsident vorgeschla­gen. Das erklärte Fraktionsc­hef Thomas Kreuzer, unmittelba­r nachdem die ersten Prognosen bekannt geworden waren.

Doch auch wenn am Wahlabend niemand über die Schuldfrag­e diskutiere­n wollte: Langfristi­g wird an diesem pikanten Thema kein Weg vorbeiführ­en. Der Fingerzeig nach Berlin jedenfalls dürfte diesmal nicht allein auf Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zielen – sondern ebenfalls auf Bundesinne­nminister Horst Seehofer, der bis zum Regierungs­wechsel im März 2018 selbst als bayerische­r Ministerpr­äsident amtierte. In Berlin hatte sich der CSU-Chef zuletzt mehrfach als Instabilit­ätsfaktor erwiesen, indem er regelmäßig die Arbeit der Großen Koalition torpediert­e. Dieses Verhalten dürfte wiederum das Vertrauen geschwächt haben, das die Wähler den Konservati­ven als Regierungs­partei entgegenbr­ingen.

Vorerst aber gibt sich die Partei betont gelassen, will sich lieber der innerparte­ilichen Analyse sowie einer schnellen Regierungs­bildung widmen. Dabei ließ Söder bereits eine klare Präferenz in Richtung einer »bürgerlich­en Koalition« erkennen, bestehend aus CSU und Freien Wählern, die um 2,6 Punkte auf 11,6 Prozent zugelegt haben. Eine Zusammenar­beit mit den Grünen komme für ihn eher nicht in Betracht, auch wenn er natürlich Gespräche mit der Partei führen werde, ebenso wie mit allen anderen Parteien außer der AfD.

Insgesamt präsentier­ten sich Söder und Seehofer am Abend fast übertriebe­n entspannt, bedenkt man das desaströse Ergebnis, das sie fabriziert haben. Beide räumten zwar selbstkrit­isch ein, dass das Ergebnis zu wünschen übrig lasse. Seehofer zeigte sich »bedrückt über das nicht gute Ergebnis«.

Selbst dem früheren CSU-Chef Erwin Huber war das etwas zu viel des Guten: Bewusst zurückhalt­end erklärte er im Bayerische­n Rundfunk, dass man dieses desaströse Ergebnis weniger gelassen hinnehmen sollte – obwohl er selbst ebenfalls Personalfr­agen ablehnte.

Auch Seehofer zeigte sich bereit zu einer Diskussion über personelle Konsequenz­en. »Da können wir gerne drüber diskutiere­n«, sagte Seehofer am Sonntagabe­nd im ZDF. Er werde das jedoch nicht an diesem Abend tun. »Natürlich habe ich als Parteivors­itzender auch Mitverantw­ortung für dieses Wahlergebn­is.«

Die Grünen sind die Sieger der bayerische­n Landtagswa­hl. Sie haben im Freistaat so gut wie nie zuvor abgeschnit­ten. Eine Beteiligun­g an der Regierung ist aber nicht wahrschein­lich. Denn für ein Bündnis mit der CSU stehen auch die Freien Wähler bereit.

 ?? Foto: Reuters/Michael Dalder ?? CSU-Anhänger am Wahlabend in München
Foto: Reuters/Michael Dalder CSU-Anhänger am Wahlabend in München
 ?? Foto: AFP/Odd Andersen ?? Ein deprimiert­er Markus Söder am Wahlabend
Foto: AFP/Odd Andersen Ein deprimiert­er Markus Söder am Wahlabend

Newspapers in German

Newspapers from Germany