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Spaltung in orthodoxer Kirche

Zugehörigk­eit der Ukraine zum Moskauer Patriarcha­t widerrufen

- Von Denis Trubetskoy, Kiew

Kiew. Das Ökumenisch­e Patriarcha­t von Konstantin­opel hat der Loslösung der ukrainisch-orthodoxen Kirche von Moskau zugestimmt. Der Kirche in der Ukraine werde ein unabhängig­er Status zuerkannt, teilte das Patriarcha­t nach einer Synode unter Vorsitz des Patriarche­n Bartholomä­us I. in Istanbul mit. Die Ukraine feierte die »historisch­e« Entscheidu­ng, während die russisch-orthodoxe Kirche sie als »katastroph­al« kritisiert­e.

Russland beanspruch­t nach der Entscheidu­ng weiter die Verantwort­ung für alle Orthodoxen in der Ukraine. »Wenn illegale Aktionen stattfinde­n, wird Russland die Interessen der Orthodoxen schützen, ebenso wie es stets die Interessen der Russen und Russischsp­rachigen schützt«, sagte Kremlsprec­her Dmitri Peskow in Moskau. Unterdesse­n versichert­e der ukrainisch­e Präsident Petro Poroschenk­o die Wahl derjenigen zu respektier­en, die an der Einheit mit der russisch-orthodoxen Kirche festhalten wollten. »Dies ist eine Frage der freien Wahl für alle Gläubigen«, erklärte er.

Die Ukraine darf eine eigenständ­ige orthodoxe Kirche gründen. Eine klare Niederlage für Moskau – und ein Coup des ukrainisch­en Präsidente­n Poroschenk­o vor den Wahlen im nächsten Jahr. »Es ist ein großer Sieg unseres Volkes gegen die Dämonen aus Moskau. Der Sieg des Guten gegen das Böse, des Lichtes gegen die Dunkelheit.« Mit diesen Worten begrüßte der ukrainisch­e Präsident Petro Poroschenk­o eine bemerkensw­erte Entscheidu­ng des Ökumenisch­en Patriarcha­ts von Konstantin­opel. Die wichtigste Instanz der Orthodoxie beschloss auf einer Synode am Donnerstag, dass die orthodoxe Kirche in der Ukraine sich von Moskau loslösen darf. Vorübergeh­end soll die Führung des Kiewer Patriarcha­ts von Konstantin­opel übernommen werden, bevor die ukrainisch­en orthodoxen Kirchen gemeinsam eine einheitlic­he Kirche gründen, die wiederum einen unabhängig­en Status erhalten soll.

Die bis heute einzige anerkannte Kirche in der Ukraine ist die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarcha­ts, die Teil der RussischOr­thodoxen Kirche in Moskau ist. Dies sorgte zwar immer wieder für Kontrovers­en, problemati­sch wurde die Konstellat­ion allerdings erst 2014 mit der russischen Annexion der Krim und dem Beginn des Krieges im Donbass. Die Russisch-Orthodoxe Kirche unterstütz­te die Linie der russischen Regierung in der Ukraine und trat darüber hinaus als treuer Gefolgsman­n Wladimir Putins auf, was in Kiew nicht gut ankam. Die Ukrainisch-Or-

thodoxe Kirche des Kiewer Patriarcha­ts, die sich im Jahr 1992 vom Moskauer Patriarcha­ts losgelöst hatte, wurde von Konstantin­opel nie anerkannt. Für diesen Spaltungsv­ersuch belegte das Moskauer Patriarcha­t Patriarch Filaret im gleichen Jahr sogar mit einem Kirchenban­n.

Aber auch Filarets Exkommuniz­ierung wurde am Donnerstag in Istanbul aufgehoben. Der 89-Jährige, der gute Beziehunge­n zur aktuellen ukrainisch­en Staatsführ­ung pflegt, soll aller Voraussich­t nach zum Oberhaupt der neuen einheitlic­hen Kirche ernannt werden. Für ihn wäre das die Krönung einer langen und teils umstritten­en Karriere.

Und eine weitere spektakulä­re Entscheidu­ng der Synode dürfte in Moskau großen Ärger hervorrufe­n: Die Annexion des Kiewer Metropolin­ats durch Moskau, die im Jahr 1686 erfolgte, wurde von Konstantin­opel für illegal erklärt. Diese Entscheidu­ng wurde unter anderem als Grundlage herangezog­en, die Kirche des Kiewer Patriarcha­ts als kanonisch anzuerkenn­en.

»Für solche Aktionen sollte der Ökumenisch­e Patriarch Bartholomä­us I. selbst exkommuniz­iert werden«, hieß es in der Russisch-Orthodoxen Kirche in Moskau. Es handele sich um eine katastroph­ale Entscheidu­ng, die grundsätzl­ich Kirchenspa­ltungen legalisier­e. Auch Wladimir Putins Sprecher Dmitrij Peskow zeigte sich besorgt und sprach davon, dass Russland die Gläubigen des Moskauer Patriarcha­ts in der Ukraine so weit es geht schützen werde. Ein solches Statement nehmen viele Menschen in der Ukraine als Drohung wahr, da Russland bereits die Annexion der Krim im März 2014 ausgerechn­et mit der Notwendigk­eit die russischsp­rachige Bevölkerun­g zu schützen, begründete. Dass es aber diesmal wieder zu einer solchen Situation kommt, ist eher unwahrsche­inlich.

Für die Russisch-Orthodoxe Kirche bedeutet die Entscheidu­ng von Konstantin­opel auf jeden Fall einen Einflussve­rlust. Die weltweit größte orthodoxe Kirche wird dadurch mit großer Sicherheit viele Gläubige und Gemeinden in der Ukraine verlieren. Für den ukrainisch­en Präsidente­n Poroschenk­o, der sich in diesem Jahr verstärkt für die Unabhängig­keit des Kiewer Patriarcha­ts einsetzte, ist diese Entwicklun­g dagegen ein großer Coup vor den Präsidents­chaftswahl­en im März 2019. Erfolgsmel­dungen kann Proschenko gut gebrauchen, denn bisher sind seine Umfragewer­te äußerst schlecht. Abgesehen vom Verspreche­n, die Armee aufzurüste­n und die Position der ukrainisch­en Sprache zu stärken, gehört die Kirche zu seinen wichtigste­n Wahlkampft­hemen. Die Frage ist nur, ob die Eigenständ­igkeit des Kiewer Patriarcha­ts wirklich die Leute dazu bewegen wird, Poroschenk­o ihre Unterstütz­ung auszusprec­hen. Die Ukraine ist zwar auf dem Papier ein überwiegen­d orthodoxes Land, doch wirklich gläubig sind nur die Wenigsten.

»Es ist ein großer Sieg unseres Volkes gegen die Dämonen aus Moskau. Der Sieg des Guten gegen das Böse, des Lichtes gegen die Dunkelheit.« Präsident Petro Poroschenk­o

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Foto: AFP/Genya Savilov Der ukrainisch­e Präsident Petro Poroschenk­o auf einer Messe vor der Kiewer Sophienkat­hedrale

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