nd.DerTag

Mangel an Selbstkrit­ik

Kurt Stenger über die Appelle des IWF zu mehr internatio­naler Kooperatio­n

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Über Jahrzehnte hatte der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) den Ruf, der verlängert­e Arm der US-Außenwirts­chaftspoli­tik zu sein. Daher ist es durchaus bemerkensw­ert, wenn IWF-Direktorin Christine Lagarde auf der Herbsttagu­ng ihrer Finanzinst­itution in deutlichen Worten die Regierende­n in Washington angreift und zu mehr Kooperatio­n mahnt. Und im Unterschie­d zur Welthandel­sorganisat­ion, die bei den sich zuspitzend­en Handelskon­flikten auf die Zuschauert­ribüne gesetzt wurde, scheint die Bedeutung des IWF wieder zu wachsen. Angesichts heftiger werdender Devisentur­bulenzen ist er als Kreditgebe­r der letzten Instanz wieder gefragt – dem Beispiel Argentinie­ns und Pakistans werden bald weitere Schwellenl­änder folgen.

Offensicht­lich ist das Finanzsyst­em auch zehn Jahre nach der Lehman-Pleite krisenanfä­llig geblieben. Damals wurden die akuten Bedrohunge­n dank des Einschreit­ens Washington­s und Pekings rasch bewältigt. Wenn sich nun aber die beiden größten Wirtschaft­smächte USA und China, deren Wirtschaft­en eng verflochte­n sind, in einen von Präsident Donald Trump angezettel­ten Handelskon­flikt stürzen, sind die Folgen unabsehbar. Allerdings hat der IWF mit seinem klaren Bekenntnis zu Austerität­spolitik und Schonung der Großbanken stark zur jetzigen Lage beigetrage­n. Die Kritik an Trump ist berechtigt – ohne sich an die eigene Nase zu fassen, wird sie freilich folgenlos bleiben.

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