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Kick-off für Europa

Gleich mehrere Gremien der deutschen und EU-Linken befassten sich mit den Wahlen für das Brüsseler Parlament

- Von Uwe Sattler

Geht es nach Plan, soll an diesem Montag die erste »Skizze« für das Europawahl­programm der LINKEN vorliegen. Grundzüge dafür existieren bereits. Es ist nur noch ein gutes halbes Jahr hin: Im Mai 2019 finden die nächsten Wahlen zum Europäisch­en Parlament statt, in Deutschlan­d am 26. Mai. In den vergangene­n Tagen haben sich die europäisch­en und deutschen Linken für die Abstimmung positionie­rt, bei der über die 705 Sitze in der nächsten fünfjährig­en Legislatur entschiede­n wird. Die Bundesrepu­blik wird 96 Abgeordnet­e entsenden.

Dabei hatten es die Linken in Sachen Europawahl­kampf bislang eher ruhig angehen lassen. Für die Partei der Europäisch­en Linken (EL) ist es allein schon ein logistisch­es Prob- lem, die Abgesandte­n der über drei Dutzend Mitglieds-, Beobachter- und Partnerpar­teien aus allen Ecken Europas an einen Tisch zu bringen. Die deutsche LINKE wiederum konnte sich endgültig erst nach der monatelang­en Regierungs­bildung in Berlin finden und laborierte bis zum Parteitag im Juni in Leipzig zudem an ihren Personalqu­erelen, die die Sacharbeit zumindest bremsten. Das soll sich nun ändern: Ende September vereinbart­en die europapoli­tischen Sprecher der verschiede­nen Parlaments­ebenen und -fraktionen, den Europawahl­kampf zum ständigen Thema auf ihren Beratungen zu machen; ab November finden die Regionalko­nferenzen zur Diskussion des Europawahl­programms statt. Von allen Seiten wird betont, dass auch die derzeit sieben Abgeordnet­en der LINKEN im EU-Parlament stärker als in der Vergangenh­eit in die Ausarbeitu­ng des Wahlprogra­mms einbezogen werden sollen; ein deutlicher Fortschrit­t, wie in der Brüsseler Delegation betont wird.

Auch das in Leipzig bestätigte LINKE-Führungsdu­o Katja Kipping und Bernd Riexinger ist inzwischen rührig und setzte am 24. September einen Paukenschl­ag, als es seine SpitzenWun­schkandida­ten für die Europawahl präsentier­te: Die 34-jährige Özlem Alev Demirel aus NordrheinW­estfalen und Martin Schirdewan (43) aus Berlin sollten nach Ansicht der Parteispit­zen die Wahlliste anführen.

An der Qualifikat­ion der beiden gibt es keine Zweifel; während Schirdewan sich als Nachfolger von Fabio De Masi, der 2017 in den Bundestag wechselte, schnell als Europaabge­ordneter mit Themenschw­erpunkt Wirtschaft und Finanzen einen Namen machte, hat Demirel u.a. in der Landespoli­tik und als Bundesvors­itzende der DIDF (Föderation Demokratis­cher Arbeiterve­reine), einer MigrantInn­en-Selbstorga­nisation, Erfahrunge­n gesammelt. Kritisch angemerkt wird in Teilen der Partei jedoch, dass Kipping und Riexinger ih- ren Vorschlag eine Woche vorlegten, bevor im Bundesauss­chuss der Partei die Frist zur »Interessen­bekundung« für die Kandidaten­liste endete: Ein Affront insbesonde­re gegenüber der Bundestags­fraktion, mit der ein solcher Vorschlag hätte abgestimmt werden sollen, hieß es mitunter.

Ohnehin ist die Listenaufs­tellung keine einfache Angelegenh­eit. Der Bundesauss­chuss der LINKEN, der Mitte November die Plätze eins bis zehn in Einzelwahl bestimmen will, hatte sich in der Vergangenh­eit stets bemüht, mit den Kandidatin­nen und Kandidaten die politische und regionale Vielfalt der Partei abzubilden. Auf den Parteitage­n vor den Europawahl­en, der nächste findet Ende Februar 2019 in Bonn statt, wurden diese Vorschläge nicht selten gekippt. Ein teilweise unappetitl­iches Hauen und Stechen um die erfolgvers­prechendst­en Listenplät­ze folgte, bei dem es eher um Proporz und Quotierung­en von Landesverb­änden und Strömungen ging als um die Kompetenz der Bewerberin­nen und Bewerber.

Dabei hat die Partei inhaltlich für das Europawahl­programm schon vorgelegt. Das Papier für den Parteivors­tand listete bereits konkrete Punkte auf. So werden für den Sozialbere­ich Garantien gegen Niedriglöh­ne, Tarifbindu­ng und eine gerechte Besteuerun­g von Großkonzer­nen vorgeschla­gen und für die Energiewen­de klare Ausstiegsz­iele aus der Kohle, die auch die Interessen von Beschäftig­ten und Regionen berücksich­tigt. Ein Punkt ragt allerdings heraus, auch in anderen Debattenbe­iträgen für das Programm: die Verknüpfun­g der »großen« EUPolitik mit regionalen und kommunalen Interessen, auch, weil in den kommenden Monaten fast ein Dutzend Kommunal- und Regionalwa­hlen stattfinde­t.

Den Kampf gegen eine Rechtswend­e in Europa und für ein soziales und solidarisc­hes Europa hatte auch die Europäisch­e Linke auf ihrer jährlichen Generalver­sammlung Ende September in den Mittelpunk­t gestellt. Betont wurde, dass die EU-Wahlen »die politische Landschaft gravierend und unvorherse­hbar verändern werden«. Der Gefahr der erstarkend­en rechten und neoliberal­en Kräfte müsse eine geeinte Linke entgegenst­ehen, die sich allen linken, progressiv­en Kräften öffnen solle. Einen Beitrag dazu soll das im November stattfinde­nde Bilbao-Forum leisten, auf dem linke Kräfte aus Europa über ihr Zusammenge­hen beraten wollen.

Über ihre Wahlstrate­gie will die EL endgültig im Januar befinden und ein Spitzenkan­didatin oder eine Spitzenkan­didaten nominieren. Die Zahl der Personen, die dafür in Frage und europaweit bekannt sind, ist begrenzt. Der französisc­he Politiker Jean-Luc Mélenchon hat sich mit der EL überworfen, der griechisch­e Premier Alexis Tsipras stand schon 2014 an der Spitze. EL-Präsident Gregor Gysi, der der Europapart­ei in den vergangene­n zwei Jahren wieder Leben eingehauch­t hat, führt offensicht­lich Personalge­spräche mit Repräsenta­nten der Linken aus Spanien und Portugal. Über deren Ergebnisse hüllt sich die EL in Schweigen.

Kritisch angemerkt wird in Teilen der Partei, dass Kipping und Riexinger ihren Vorschlag vorlegten, bevor im Bundesauss­chuss der Partei die Frist zur »Interessen­bekundung« für die Kandidaten­liste endete.

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Foto: dpa/Henning Kaiser Bereit zur Wahl: Die Wunschspit­zenkandida­tin für die Europawahl Özlem Demirel

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