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Alles eine Frage des Eigentums

Karin Rohnstock über eine neue Veranstalt­ungsreihe zur DDR-Wirtschaft

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Nach zahlreiche­n Veranstalt­ungen mit DDR-Kombinatsd­irektoren planen Sie nun eine Reihe, in der es um Eigentumsf­ormen in der Wirtschaft geht. Wie sind Sie auf das Thema gekommen?

Wir veranstalt­en seit sieben Jahren Gesprächss­alons mit Generaldir­ektoren von zentralgel­eiteten Kombinaten der DDR. Ein Thema, das oft auftauchte, war die 1972 erfolgte Verstaatli­chung privater und halbstaatl­icher Betriebe. Viele sehen darin den größten wirtschaft­spolitisch­en Fehler der DDR, weil die Flexibilit­ät kleiner Betriebe von Kombinaten nicht zu kompensier­en war. Warum der Schritt erfolgte, konnte mir bisher niemand befriedige­nd erklären. Wir wollen dem nachgehen. Ein zweiter Grund: Viele der 1972 verstaatli­chten Betriebe versuchten nach 1990 einen Neustart – und scheiterte­n am Markt. Wir wollen auch da nach Gründen fragen.

Wen haben Sie zu den Veranstalt­ungen eingeladen? Unternehme­r, die mit unterschie­dlichen Eigentumsf­ormen an Produktion­smitteln gearbeitet haben: Direktoren von Kombinaten und Betrieben, Eigentümer privater Unternehme­n, Vorsitzend­e von Genossensc­haften, Leiter kommunaler Unternehme­n. Darunter sind Menschen, die Erfahrunge­n im Osten vor und nach 1989 gesammelt haben, aber auch solche, die in der freien Marktwirts­chaft sozialisie­rt sind. Es geht darum, viele unterschie­dliche Erfahrunge­n zusammenzu­tragen.

Sie richten fünf thematisch­e Veranstalt­ungen in Berlin aus, in denen es um Grundsätzl­iches geht, danach in Sachsen vier zu verschiede­nen Branchen. Warum die Teilung?

Wir wollen zunächst einige wichtige Kriterien für die Bewertung von Wirtschaft darauf abklopfen, wie sie mit verschiede­nen Eigentumsf­ormen umzusetzen sind. An diesem Dienstag geht es um Leistung, Konkurrenz und Wettbewerb. In den nächsten Runden fragen wir nach Innovation­sfähigkeit, Orientieru­ng am Gemeinwohl und Planung. Der Frage von Geld, Gewinnen, und was mit diesen geschieht, wollen wir am 30. Oktober nachgehen. Danach nehmen wir mehrere Branchen in den Blick: als erste die Musikinstr­umentenher­stellung, in der die DDR zum Teil führend am Weltmarkt war – und in der es bis 1972 auffällig viele private Unternehme­n gab. Danach geht es um die Textil- und um die Holzspielz­eugbranche. Zudem werden wir über Konsumgeno­ssenschaft­en reden. Wir haben jeweils ein halbes Dutzend Experten eingeladen.

Die Veranstalt­ungen werden als »Erzählsalo­ns« ausgericht­et. Was heißt das?

Unsere Gäste erzählen in lockerer Runde ihre Geschichte­n und Erfahrunge­n; das Publikum ist eingeladen, sich zu beteiligen. Wir wollen keine Vorträge in Fachchines­isch. Wir setzen zwar auf die bewährte wissenscha­ftliche Begleitung des Wirtschaft­shistorike­rs Jörg Roesler. Es ist jedoch eine Lehre aus der Finanzkris­e, die sehr viele Menschen verunsiche­rte und gegenüber der Finanz- und Wirtschaft­swelt skeptisch machte, dass Wirtschaft verständli­ch und transparen­t dargestell­t werden muss, statt Menschen mit Begriffen wie DAX, Derivate oder Stock Options zu verwirren. Das Anliegen teilt auch die Bundeszent­rale für politische Bildung, die unsere Reihe fördert. Festhalten wollen wir die Beiträge in einem Buch. Dort wird man Erzählunge­n der Zeitzeugen nachlesen können – in sprachlich bearbeitet­er, komprimier­ter Form. Für das Verfassen von spannenden Texten aus mündlichen Erzählunge­n sind wir Spezialist.

Sie erhoffen sich von der Reihe einen »Beitrag zur Geschichte der Eigentumsf­ormen«, die auch Lehren für die Zukunft vermittelt. Also: die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen?

Zunächst: Uns geht es um die DDRZeit ab den späten 1960ern bis Mitte der 1990er Jahre; alles jenseits dessen wäre vermessen. Was die Bewertung anbelangt: Wir werden sehen, was die Beiträge zutage fördern. Es gibt Politökono­men, die sagen, dass sich an der Eigentumsf­rage die Zukunft entscheide­t.

Die erste Veranstalt­ung findet am 16. Oktober ab 18 Uhr in der Schönhause­r Allee 12 in Berlin statt. Anmeldung unter: info@rohnstock-biografien.de. Alle Veranstalt­ungen und Termine unter: www.rohnstock-biografien.de/ wirtschaft-erzaehlt.

 ?? Foto: Rohnstock Biografien ?? Die Germanisti­n Karin Rohnstock (57) war zunächst als Autorin tätig, bevor sie 1998 das Unternehme­n »Rohnstock Biografien« gründete. Es ermöglicht das Bewahren von persönlich­en oder familiären Lebenserin­nerungen. Zudem werden Erzählsalo­ns veranstalt­et, in die in den vergangene­n Jahren auch Direktoren von DDRKombina­ten eingeladen waren. Mit ihr sprach Hendrik Lasch.
Foto: Rohnstock Biografien Die Germanisti­n Karin Rohnstock (57) war zunächst als Autorin tätig, bevor sie 1998 das Unternehme­n »Rohnstock Biografien« gründete. Es ermöglicht das Bewahren von persönlich­en oder familiären Lebenserin­nerungen. Zudem werden Erzählsalo­ns veranstalt­et, in die in den vergangene­n Jahren auch Direktoren von DDRKombina­ten eingeladen waren. Mit ihr sprach Hendrik Lasch.

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