nd.DerTag

Sieger ohne Machtpersp­ektive

Die Freien Wähler sind bevorzugte­r Partner der CSU. Grüne haben kaum Chancen auf Regierungs­beteiligun­g

- Von Rudolf Stumberger, München

Mit 11,6 Prozent ist das von Konservati­ven dominierte Bündnis drittstärk­ste Kraft geworden. Die Christsozi­alen kämen mit ihm zusammen bequem auf die absolute Mehrheit im Landtag. Claudia W. ist enttäuscht. Die Münchner Grünen-Wählerin hatte gehofft, dass sie mit ihrer Stimme einen Kurswechse­l in Bayern herbeiführ­en könnte. Doch »jetzt sieht es so aus, als ob alles wie gehabt weitergeht, nur mit den Freien Wählern im Bunde«, befürchtet sie. In der Tat gingen die Signale am Wahlabend von Seiten einiger CSU-Politiker vor allem in Richtung »bürgerlich­e« Koalition statt einer schwarzgrü­nen Regierungs­bildung nach dem Vorbild Baden Württember­gs.

Die CSU ist mit ihrem Ergebnis von 37,2 Prozent der Wählerstim­men, dem schlechtes­ten seit Jahrzehnte­n, auf einen Koalitions­partner angewiesen. Das war vor zehn Jahren schon einmal so: 2008 gingen die Christsozi­alen mit der FDP zusammen. Doch deren aktuelles Ergebnis von gerade mal 5,1 Prozent macht eine Koalition unmöglich. Die CSU benötigt zum Weiterregi­eren einen gewichtige­ren Partner. Vier Parteien stünden zur Verfügung. Die SPD mit ihren 9,7 Prozent hatte aber schon vor der Wahl erklärt, dass sie keinesfall­s in eine Koalition mit der CSU eintreten würde. Man wolle nicht das Dilemma der Berliner Großen Koalition auf Landeseben­e wiederhole­n, hatte Spitzenkan­didatin Natascha Kohnen betont. Außen vor ist auch die AfD, denn Ministerpr­äsident Markus Söder hatte seinerseit­s ein Zusammenge­hen mit ihr ausgeschlo­ssen.

Als mögliche Partner bleiben neben den Grünen mit ihrem fetten Stimmantei­l von 17,5 Prozent also nur die Freien Wähler (FW) mit 11,6 Prozent. Beide Parteien haben ihren Anspruch aufs Mitregiere­n erklärt. Die FW haben dabei die größten Chancen, sind sie doch quasi Fleisch vom Fleische der CSU.

Kommt es so wie erwartet, stünde FW-Chef Hubert Aiwanger als stellvertr­etender Ministerpr­äsident demnächst neben Markus Söder ganz oben in der Landespoli­tik. Der 47Jährige kommt aus dem niederbaye­rischen Ergoldsbac­h bei Landshut und lebt in Rahstorf bei Rottenburg an der Laaber. Der FW-Fraktionsc­hef im Münchner Parlament hat Landwirtsc­haft an der Fachhochsc­hule Wei- henstephan studiert. Den Freien Wählern schloss er sich bereits vor 16 Jahren an, 2006 wurde er zum Landesvors­itzenden der Partei gewählt. Vor allem auf kommunaler Ebene, spielen die FW in Bayern eine Rolle, vor allem auf dem Lande. Die Partei ist vielerorts von CSU-Aussteiger­n dominiert, denen die Alleinherr­schaft der Christsozi­alen irgendwann auf die Nerven ging und die lokal eine andere Politik verfolgten.

Politisch stehen die FW der CSU also wesentlich näher als die Grünen. So kritisiert­e Aiwanger 2015 in einem Interview, Horst Seehofer, damals noch Ministerpr­äsident, schöpfe beim Thema Flüchtling­e bei weitem nicht alle Möglichkei­ten aus, um Flüchtling­e wieder loszuwerde­n. Erst auf Druck seien beispielsw­eise »im Nachtragsh­aushalt immerhin 50 zusätzlich­e Richter genehmigt worden, um Rückführun­gen von nicht Asyl- berechtigt­en in sichere Herkunftsl­änder zu beschleuni­gen«.

Angesichts dieser Übereinsti­mmung und des Wahlergebn­isses ist Söder nicht darauf angewiesen, sich mit den Grünen an den Verhandlun­gstisch zu setzen und ihnen entweder extreme Zugeständn­isse abzuverlan­gen oder aber selbst Kompromiss­e einzugehen, etwa beim Polizeiauf­gabengeset­z. Die Grünen hatten im Wahlkampf versproche­n, die Aushebelun­g von Bürgerrech­ten durch das PAG wieder rückgängig zu machen, kämen sie in Regierungs­verantwort­ung. Außerdem wollten sie den sogenannte­n Kreuzerlas­s wieder aufheben. Söders Regierung hatte verfügt, dass in öffentlich­en Gebäuden des Freistaats Kruzifixe aufgehängt werden müssen. Auch in der Flüchtling­spolitik wollten die Grünen eine an Grundrecht­en orientiert­e Kehrtwende einleiten.

»Mit uns kann man über ein ökologisch­es, weltoffene­s und gerechtes Bayern sprechen, aber nicht über eine autoritäre und antieuropä­ische Politik«, so lautet der Standpunkt der Grünen, was Koalitions­verhandlun­gen anbelangt. Der Bundesvors­itzende Robert Habeck hat jedoch bereits Kompromiss­bereitscha­ft angedeutet. Sollte es noch eine Chance auf ein Regierungs­bündnis geben, »werden wir das ernsthaft ausloten und probieren«, sagte er am Wahlabend.

Der Grünen-Nachwuchs glaubt offenbar noch immer, dass es zu einem Bündnis ohne die CSU kommen könnte, trotz der Absage der Freien Wähler. »Wir Grüne sollten, wenn möglich, über ein Bündnis jenseits von CSU und AfD verhandeln oder aber unsere Inhalte als führende Kraft der Opposition im Landtag vertreten«, sagte der Sprecher der Grünen Jugend Bayern, Sebastian Hansen, am Sonntagabe­nd in München. Das Wahlergebn­is sei »ein Auftrag für echte Veränderun­g, aber dies ist mit der CSU nicht zu machen«.

Unterdesse­n gibt es bei der CSU auch innerparte­ilich Zäsuren. So verpasste Landtagspr­äsidentin Barbara Stamm – erwartungs­gemäß – den Wiedereinz­ug in den Landtag. Die 73Jährige, die keinen eigenen Stimmkreis hatte, wäre auf ein gutes CSUErgebni­s angewiesen gewesen. Bereits seit 1976 saß Stamm für die CSU im Landtag. In den 80er Jahren wurde sie stellvertr­etende Fraktionsc­hefin und Staatssekr­etärin im Kabinett von Franz Josef Strauß. Von 1994 bis 2001 war sie Sozialmini­sterin in der Regierung von Edmund Stoiber. Landtagspr­äsidentin war sie seit 2008. In Umfragen erreichte sie immer wieder Spitzenwer­te. Zuletzt war sie im Januar laut »BayernTren­d« wieder die beliebtest­e Politikeri­n Bayerns.

Der Grünen-Nachwuchs glaubt offenbar noch immer, dass es zu einem Bündnis ohne die CSU kommen könnte.

 ?? Foto: Reuters/Andreas Gebert ?? Grünen-Bundeschef Robert Habeck und der Fraktionsv­orsitzende Anton Hofreiter nach Bekanntgab­e des bayerische­n Wahlergebn­isses
Foto: Reuters/Andreas Gebert Grünen-Bundeschef Robert Habeck und der Fraktionsv­orsitzende Anton Hofreiter nach Bekanntgab­e des bayerische­n Wahlergebn­isses

Newspapers in German

Newspapers from Germany