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Schuld sind für die AfD wieder die anderen

Warum die Rechtsauße­npartei bei der bayerische­n Landtagswa­hl schlechter abschnitt, als sie sich selbst erhofft hatte

- Von Robert D. Meyer

Knapp über zehn Prozent holte die AfD bei der Landtagswa­hl in Bayern. Doch die Rechten hatten bis zum Schluss auf ein deutlich höheres Ergebnis gehofft. Theoretisc­h waren die Voraussetz­ungen da. »Macht den Weg frei für Neuwahlen!«, ruft Alice Weidel wenige Minuten nach Bekanntwer­den der ersten Wahlergebn­isse bei der bayerische­n Landtagswa­hl den Anhängern der AfD bei der Wahlparty im niederbaye­rischen Mamming zu. Die Fraktionsv­orsitzende der Rechtsauße­npartei im Bundestag meint damit nicht eine Neuauflage der eben erst erfolgten Abstimmung im Freistaat – sondern auf Bundeseben­e. Denn: Dass sowohl CSU als auch SPD in Bayern verloren haben, sei auch Ausdruck des Zustands der Großen Koalition im Bund, so Weidels Logik. Diese Kampfansag­e dürfte auch ein Versuch sein, das eigene Abschneide­n bei der bayerische­n Landtagswa­hl in ein besseres Licht zu rücken. Denn bei genauerem Hinsehen wird deutlich: Das Ergebnis von rund 10,2 Prozent ist aus AfD-Sicht ambivalent.

Richtig ist: Mit dem Einzug der radikalen Rechten in das Münchner Maximilian­eum gelingt der AfD der Sprung in den mittlerwei­le 15. Landtag. Wenn die Umfragen nicht stark danebenlie­gen, wird die Partei in zwei Wochen auch in das hessische Parlament einziehen und wäre damit in allen 16 Landtagen präsent. Es scheint, als eilten die Rechten von einem Wahlerfolg zum nächsten.

Tatsächlic­h ist die Sache aber komplizier­ter. Die Parteiführ­ung dürfte sich vom Urnengang in Bayern mehr erhofft haben. Noch bis September sahen Umfragen für die Rechten ein Wählerpote­nzial von bis zu 14 Prozent. Vergleiche zu früheren bayerische­n Wahlen sind im Fall der AfD nur schwer möglich. Bei der letzten Abstimmung zum Landesparl­ament vor fünf Jahren trat die damals noch sehr junge Partei nicht an. Erste belastbare Werte lieferten 2014 die Europawahl und zuletzt die Bundestags­wahl. Dabei fällt auf: Zur Europawahl, damals hieß der Parteichef noch Bernd Lucke, holte die AfD im Freistaat ein Ergebnis, das ein Prozentpun­kt über dem bundesweit­en Ergebnis von 7,1 Prozent lag.

Auch bei der Bundestags­wahl lief es für die Rechtsauße­npartei in Bayern gut. Mit 12,4 Prozent der Wählerstim­men holte sie im Freistaat ein Ergebnis, dass nahe am bundesweit­en Resultat von damals 12,6 Prozent der Zweitstimm­en lag. Das ist deshalb bemerkensw­ert, weil die AfD ihren Bundestags­wahlerfolg wesentlich den überdurchs­chnittlich­en Ergebnisse­n in den ostdeutsch­en Län- dern verdankte, während sie damals etwa in Nordrhein-Westfalen mit 9,4 Prozent oder in Schleswig-Holstein (8,2 Prozent) der Zweitstimm­en deutlich weniger Zuspruch erhielt.

Auch vom aktuellen Hoch bei der Sonntagsfr­age im Bund konnte die Bayern-AfD nicht profitiere­n. Würde aktuell ein neuer Bundestag gewählt, könnte die Partei dabei mit 15 bis 18 Prozent der Stimmen rechnen. Eine positive Sogwirkung des bundesweit­en Trends gab es somit im Freistaat nicht.

Genau darauf hatte die Partei aber gesetzt und gehofft, dass der seit Monaten andauernde Streit der Unionspart­eien in der Asyl- und Migrations­politik auf die Bayern-Wahl abfärben könnte. Entspreche­nd setzte die AfD wieder einmal auf ihr Dauerthema Flüchtling­e. Zudem adressiert­e sie mit ihrem Wahlkampf primär enttäuscht­e Wähler*innen der CSU, indem sie etwa versprach: »Die AfD hält, was die CSU verspricht!« Eine den Rechten nahestehen­de Unterstütz­ergruppe plakatiert­e gar: »Franz Josef Strauß würde AfD wählen«.

Die offensicht­liche Wilderei in den CSU-Reihen trug durchaus Früchte. Laut Zahlen von Infratest dimap wechselten rund 180 000 Wähler von den Christsozi­alen zur AfD. Noch mehr, nämlich etwa 200 000 Menschen, wechselten von der CSU jedoch zu den Grünen. Offensicht­lich ist die Rechnung längst nicht so einfach, dass von Ministerpr­äsident Markus Söder und Parteichef Horst Seehofer enttäuscht­e CSU-Wähler automatisc­h mit der AfD liebäugeln.

Dediziert eher liberale Anhänger der Christsozi­alen sahen in den Grünen eine Alternativ­e. Für das eher rechts positionie­rte Klientel der CSU blieben als Option die Freien Wähler. Eine Gruppierun­g, die in Bayern ein Sammelbeck­en für Rechtskons­ervative darstellt. Entspreche­nd legte die Partei von Hubert Aiwanger auch zu.

Bleibt noch ein Punkt für das Abschneide­n der AfD: die Partei selbst. Der Landesverb­and gilt als zerrüttet, auf einen gemeinsame­n Spitzenkan­didaten konnte man sich nicht einigen. Doch dieses Dilemma spricht in der AfD niemand offen an. Stattdesse­n seien wie so oft die anderen schuld. Dass die Partei nicht besser abschnitt, »das hat sicherlich an der Hetze der Altparteie­n gelegen, vor allem der CSU«, sagte die Deggendorf­er AfD-Politikeri­n Katrin EbnerStein­er, Spitzenkan­didatin in Niederbaye­rn, am Sonntagabe­nd laut dpa.

Landesvizi­n Ebner-Steiner gilt als Verbündete des Thüringer Rechtsauße­n Björn Höcke und mögliche Anwärterin auf den Fraktionsv­orsitz im Landtag. Dass sie den Posten bekommt, ist nicht unwahrsche­inlich, denn die niederbaye­rische BezirksAfD gilt als besonders einflussre­ich.

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