Schuld sind für die AfD wieder die anderen
Warum die Rechtsaußenpartei bei der bayerischen Landtagswahl schlechter abschnitt, als sie sich selbst erhofft hatte
Knapp über zehn Prozent holte die AfD bei der Landtagswahl in Bayern. Doch die Rechten hatten bis zum Schluss auf ein deutlich höheres Ergebnis gehofft. Theoretisch waren die Voraussetzungen da. »Macht den Weg frei für Neuwahlen!«, ruft Alice Weidel wenige Minuten nach Bekanntwerden der ersten Wahlergebnisse bei der bayerischen Landtagswahl den Anhängern der AfD bei der Wahlparty im niederbayerischen Mamming zu. Die Fraktionsvorsitzende der Rechtsaußenpartei im Bundestag meint damit nicht eine Neuauflage der eben erst erfolgten Abstimmung im Freistaat – sondern auf Bundesebene. Denn: Dass sowohl CSU als auch SPD in Bayern verloren haben, sei auch Ausdruck des Zustands der Großen Koalition im Bund, so Weidels Logik. Diese Kampfansage dürfte auch ein Versuch sein, das eigene Abschneiden bei der bayerischen Landtagswahl in ein besseres Licht zu rücken. Denn bei genauerem Hinsehen wird deutlich: Das Ergebnis von rund 10,2 Prozent ist aus AfD-Sicht ambivalent.
Richtig ist: Mit dem Einzug der radikalen Rechten in das Münchner Maximilianeum gelingt der AfD der Sprung in den mittlerweile 15. Landtag. Wenn die Umfragen nicht stark danebenliegen, wird die Partei in zwei Wochen auch in das hessische Parlament einziehen und wäre damit in allen 16 Landtagen präsent. Es scheint, als eilten die Rechten von einem Wahlerfolg zum nächsten.
Tatsächlich ist die Sache aber komplizierter. Die Parteiführung dürfte sich vom Urnengang in Bayern mehr erhofft haben. Noch bis September sahen Umfragen für die Rechten ein Wählerpotenzial von bis zu 14 Prozent. Vergleiche zu früheren bayerischen Wahlen sind im Fall der AfD nur schwer möglich. Bei der letzten Abstimmung zum Landesparlament vor fünf Jahren trat die damals noch sehr junge Partei nicht an. Erste belastbare Werte lieferten 2014 die Europawahl und zuletzt die Bundestagswahl. Dabei fällt auf: Zur Europawahl, damals hieß der Parteichef noch Bernd Lucke, holte die AfD im Freistaat ein Ergebnis, das ein Prozentpunkt über dem bundesweiten Ergebnis von 7,1 Prozent lag.
Auch bei der Bundestagswahl lief es für die Rechtsaußenpartei in Bayern gut. Mit 12,4 Prozent der Wählerstimmen holte sie im Freistaat ein Ergebnis, dass nahe am bundesweiten Resultat von damals 12,6 Prozent der Zweitstimmen lag. Das ist deshalb bemerkenswert, weil die AfD ihren Bundestagswahlerfolg wesentlich den überdurchschnittlichen Ergebnissen in den ostdeutschen Län- dern verdankte, während sie damals etwa in Nordrhein-Westfalen mit 9,4 Prozent oder in Schleswig-Holstein (8,2 Prozent) der Zweitstimmen deutlich weniger Zuspruch erhielt.
Auch vom aktuellen Hoch bei der Sonntagsfrage im Bund konnte die Bayern-AfD nicht profitieren. Würde aktuell ein neuer Bundestag gewählt, könnte die Partei dabei mit 15 bis 18 Prozent der Stimmen rechnen. Eine positive Sogwirkung des bundesweiten Trends gab es somit im Freistaat nicht.
Genau darauf hatte die Partei aber gesetzt und gehofft, dass der seit Monaten andauernde Streit der Unionsparteien in der Asyl- und Migrationspolitik auf die Bayern-Wahl abfärben könnte. Entsprechend setzte die AfD wieder einmal auf ihr Dauerthema Flüchtlinge. Zudem adressierte sie mit ihrem Wahlkampf primär enttäuschte Wähler*innen der CSU, indem sie etwa versprach: »Die AfD hält, was die CSU verspricht!« Eine den Rechten nahestehende Unterstützergruppe plakatierte gar: »Franz Josef Strauß würde AfD wählen«.
Die offensichtliche Wilderei in den CSU-Reihen trug durchaus Früchte. Laut Zahlen von Infratest dimap wechselten rund 180 000 Wähler von den Christsozialen zur AfD. Noch mehr, nämlich etwa 200 000 Menschen, wechselten von der CSU jedoch zu den Grünen. Offensichtlich ist die Rechnung längst nicht so einfach, dass von Ministerpräsident Markus Söder und Parteichef Horst Seehofer enttäuschte CSU-Wähler automatisch mit der AfD liebäugeln.
Dediziert eher liberale Anhänger der Christsozialen sahen in den Grünen eine Alternative. Für das eher rechts positionierte Klientel der CSU blieben als Option die Freien Wähler. Eine Gruppierung, die in Bayern ein Sammelbecken für Rechtskonservative darstellt. Entsprechend legte die Partei von Hubert Aiwanger auch zu.
Bleibt noch ein Punkt für das Abschneiden der AfD: die Partei selbst. Der Landesverband gilt als zerrüttet, auf einen gemeinsamen Spitzenkandidaten konnte man sich nicht einigen. Doch dieses Dilemma spricht in der AfD niemand offen an. Stattdessen seien wie so oft die anderen schuld. Dass die Partei nicht besser abschnitt, »das hat sicherlich an der Hetze der Altparteien gelegen, vor allem der CSU«, sagte die Deggendorfer AfD-Politikerin Katrin EbnerSteiner, Spitzenkandidatin in Niederbayern, am Sonntagabend laut dpa.
Landesvizin Ebner-Steiner gilt als Verbündete des Thüringer Rechtsaußen Björn Höcke und mögliche Anwärterin auf den Fraktionsvorsitz im Landtag. Dass sie den Posten bekommt, ist nicht unwahrscheinlich, denn die niederbayerische BezirksAfD gilt als besonders einflussreich.