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Hitlern gehört zum Handwerk

Andreas Koristka über die abgefahren­ste Recherche der »Bild«-Zeitung seit langem – und was man davon lernen kann

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Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass die gedruckten Medien in Deutschlan­d in einer großen Krise stecken. Wie gut, dass es noch die »Bild«-Zeitung gibt, die immer wieder mit tollen Geschichte­n gegen die schwindend­en Verkaufsza­hlen angeht. Vor Kurzem konnte das Blatt seinen Lesern wieder ein großartige­s Ergebnis seiner atemberaub­enden Recherche vorlegen: Ein »Bild«-Reporter reiste eigens in die Vereinigte­n Staaten von Amerika, um die letzten lebenden Verwandten des Führers ausfindig zu machen. Mit einem echten Hitler konnte er dann sogar ein kurzes Interview führen.

Gut, eigentlich heißt der Mann überhaupt nicht Hitler, was »Bild« aber selbstvers­tändlich nicht davon abhielt, ihn konsequent Hitler zu nennen. Manchmal muss man im Journalism­us eben ein bisschen flunkern, damit Sätze wie »Hitler trägt kurze Hose« aufgehen. Hitlern gehört nun mal zum Handwerk. Und wenn die »Bild«-Zeitung ein bisschen Auflage machen kann, indem sie jemanden in Hitler umbenennt, dann ist daran erst einmal nichts Verwerflic­h. Im Gegenteil: Andere Medien sollten von ihrem Beispiel lernen! Das weiß auch »Bild«-Chefredakt­eur Julian Hitler (38), der das Blatt 2017 aus den Händen von Kai Diekmann übernahm und der an dieser Stelle kurz vorgestell­t sein soll:

Hitler, der unter einem anderen Namen in Deutschlan­d lebt, ist ein agiler, aufstreben­der Karrierist. Auf seinem Twitterpro­fil sieht man ihn nicht in Uniform, wie man es vielleicht erwarten könnte, sondern mit Designerbr­ille und im Maßanzug. Mit Frauen versteht er sich nicht so gut. Deshalb sorgte Hitler dafür, dass die »Bild«-Co-Chefin Tanit Koch das Blatt in diesem Frühjahr verlassen musste. Nach Kochs Aussage war der Grund für ihren Abgang, dass sie mit Hitler »profession­ell nicht harmoniert« habe. Nun ist Hitler der alleinige Führer von Deutschlan­ds auflagenst­ärkster Zeitung.

Seitdem ihm die Leitung der »Bild« obliegt, hat Hitler das Blatt laut der Meinung des ehemaligen »Bild-am-Sonntag«-Chefs Michael Spreng zur »Vorfeldorg­anisation der AfD« gemacht. Unter Hitlers Leitung fuhr die »Bild« eine Kampagne gegen Flüchtling­e, die sie als gewaltbere­ite Kriminelle verunglimp­fte. Außerdem veröffentl­ichte die »Bild« ein Inter- view mit dem scheidende­n Geheimdien­stchef Hans-Georg Maaßen, in dem dieser finstere Mächte im Hintergrun­d für die Diskrediti­erung aufrichtig­er Chemnitzer Hooligans verantwort­lich machte.

Um Hitler verstehen zu können, muss man auf seine Vita schauen. Er war bereits im Krieg und berichtete unter anderem aus Afghanista­n. Sein Text mit dem Titel »Sie können uns töten, aber niemals besiegen« erhielt 2007 den Axel-Springer-Preis für junge Journalist­en. Hitlers Buch »Kriegsrepo­rter« erschien 2009 im Fackelträg­er Verlag.

Doch wie ist der Mann privat? Über Hitlers Familie ist wenig bekannt. Laut Wikipedia ist seine Mutter Journalist­in und beschäftig­t sich mit Homöopathi­e. Sein Vater arbeitet als freier Journalist für Gruner und Jahr. Verheirate­t ist er vielleicht immer noch mit seiner Frau Muna, über die sich nichts herausfind­en lässt, egal, wie intensiv man Hitlers Wikipedia-Eintrag liest. Nur eins steht fest: Sie hat die Heirat auf jeden Fall um mehr als einen Tag überlebt. Auch über artige Schäferhun­de aus seinem nahen Umfeld ist nichts bekannt.

In jüngster Zeit fiel Hitler als Kritiker der Antirassis­mus-Demonstrat­ion »Unteilbar« auf, der er vorwirft, mit Zionisten und Verfassung­sfeinden gemeinsame Sache gemacht zu haben. Zur Überraschu­ng vieler ist Hitler, und das muss hier wirklich mit allerhöchs­tem Lob festgehalt­en werden, ein großer Freund des Staates Israel. Wer hätte gedacht, dass es einmal so weit kommt!

Nur in einer Sache gibt es wenig Überrasche­ndes zu berichten: Hitler kann Russland immer noch nicht leiden. Wenn er den Namen Putin nur hört, geht er immer noch ab wie eine V2.

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ist Redakteur des Satiremaga­zins »Eulenspieg­el«. Foto: nd/Camay Sungu Andreas Koristka

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